In den Armen des Meeres
Elysse.« Seine Miene wurde härter. »Ich möchte, dass du dem hier heute Abend ein Ende bereitest, ehe du in Schwierigkeiten gerätst – die Sorte Schwierigkeiten, aus denen du nicht mit einem Lächeln und einem Augenaufschlag herauskommst.«
Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen, aber es gelang ihr nicht. »Du kannst mir nichts befehlen, als wäre ich ein Mitglied deiner Mannschaft – oder deine Schwester.«
»Du begehst einen Fehler. Manchmal würde ich dich am liebsten übers Knie legen wie ein kleines Kind. Du bist wahrhaftig die dickköpfigste Frau, der ich je begegnet bin. Du spielst mit meinem Navigator, und das ist selbstsüchtig und gefährlich.«
Sie gab zurück: »Und du spielst mit Louisa, oder nicht? Ich frage mich, warum du so gegen William bist, aber nicht gegen meine anderen Verehrer wie James Ogilvy? Kann es sein, dass du eifersüchtig bist?«
Er sah sie überrascht an. »Ich bin nicht eifersüchtig. Für mich gehörst du zur Familie. Sonst nichts. Wir kennen einander seit dreizehn Jahren!«
Sie trat entgeistert zurück. »Wir sind keine Familie. Wir sind nicht einmal miteinander verwandt!«
»Oh – warte einen Moment. Bist du vielleicht eifersüchtig? Möchtest du nur meine Aufmerksamkeit erregen?« Er schien vollkommen ungläubig.
»Nein, das will ich nicht!«, rief sie erschrocken.
Er sah sie an, skeptisch und prüfend. »Ich kenne dich genauso gut – nein, sogar besser –, als meine eigenen Schwestern! Ich weiß, was du denkst und was du willst. Ich weiß, wer du bist. Manchmal glaube ich, ich kenne dich zu gut. Wenn ich in einen Raum gehe und dich sehe, denke ich: Sieh an, das ist Elysse, die hübsche, verwöhnte kleine Prinzessin, die ich schon fast mein ganzes Leben lang kenne.«
Sie zitterte. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie wollte nicht, dass er das sah. »Willst du damit sagen, ich bin für dich so etwas wie eine Schwester? Dass du nicht einmal bemerkst, dass ich eine attraktive und vollkommen erwachsene Frau geworden bin?«
Seine Miene verhärtete sich. »Es ist offensichtlich, dass du gut aussiehst, aber ansonsten denke ich nicht an dich.«
Sie sah ihn an, zutiefst verletzt.
Er ließ den Blick über ihr lavendelfarbenes Kleid gleiten. »Ich hasse dieses Kleid«, erklärte er. Und dann ging er davon.
Sie war so erschrocken, dass sie sich nicht von der Stelle rühren konnte. Wenn er mich in einem Raum sieht, dann sieht er eine verwöhnte kleine Prinzessin. Er sieht keine schöne Frau, er sieht ein Mädchen, das er sein ganzes Leben lang kannte, so etwas wie eine Schwester.
»Ich mag das Kleid«, sagte Montgomery sanft. »Ich finde, Sie sehen reizender aus denn je. Elysse, weinen Sie nicht.«
Sie drehte sich um und bemerkte, wie besorgt er sie ansah. Ihr fiel auf, dass er gelauscht haben musste. Es war ihr egal, ihr Herz war gebrochen.
Irgendwie gelang es ihr, ihn anzulächeln.
Er streckte den Arm aus und nahm ihre Hand.
Sie wusste nicht mehr, warum sie sich je danach gesehnt hatte, in Alexi de Warennes Armen zu liegen. Sie wusste nicht einmal mehr, warum sie in ihm je einen Freund gesehen hatte. Er war verabscheuungswürdig. Er glaubte, über ihr Leben bestimmen zu müssen, behandelte sie wie eine Schwester, und dabei lief er die ganze Zeit über Flittchen wie der Witwe Cochrane nach. Wen interessierte das? Nie zuvor war sie zurückgewiesen worden. Sie kannte keine andere Debütantin in ganz Irland, die in nur zwei Jahren fünf Heiratsanträge bekommen hatte. Seine Zurückweisung spielte keine Rolle – überhaupt gar keine!
Und wenn William ihr den Hof machen wollte, dann würde sie ihn vielleicht sogar ermutigen. Er war freundlich und anständig, er verurteilte sie nicht und warf ihr auch nicht vor, eine Dirne zu sein. Er hielt sie nicht für verwöhnt und selbstsüchtig. Wenn er sie Prinzessin nannte, dann war das als Kompliment gemeint. Wenn Alexi das tat, dann meinte er es als Beleidigung – als Urteil über ihren Charakter!
Elysse tanzte zum achten Mal an diesem Abend, und dabei lächelte sie beständig. Der gut aussehende Sir Robert Haywood war mit fünfunddreißig Jahren schon Witwer und galt als ausgezeichnete Partie. Er hatte ein paarmal bei ihr zu Hause vorgesprochen, aber sie hatte sich nie für ihn interessiert, bis zu diesem Abend. Als sie tanzten, lächelte sie ihn immerfort an und wollte sich auf keinen Fall im Ballsaal umsehen. Sie wollte Alexi nicht sehen, nie mehr wieder.
Ihre Freundschaft war vorüber. Sie fand ihn nicht
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