In den Armen des Scheichs
schmalen Augen auf die karge goldene Landschaft um sich herum. Dann senkte er den Blick, schob die Ärmel von den dunklen Narben zurück und fragte sich wohl zum tausendsten Mal, was für ein Ungeheuer es fertigbrachte, einen kleinen kranken Jungen derart brutal an sein Bett zu fesseln. Xavian hatte das Gefühl, den Druck der Seile um seine Handgelenke immer noch zu spüren …
Auch wenn die Wüste seine eindringlichen Fragen mit einem undurchdringlichen Schweigen beantwortete, versuchte sie wenigstens nicht, ihn abzulenken oder zu beschwichtigen, wie es seine Eltern stets getan hatten.
Und jetzt fand er sich erneut allein in der Wüste wieder und hoffte auf Ruhe und Frieden für sein aufgewühltes Inneres. Doch anders als sonst machte ihn das Heulen des Wüstenwindes in den Canyons nervös. Er schien ihn zu rufen und die goldenen Sanddünen – zusammen mit ihm – langsam, aber unaufhaltsam in Richtung Meer vor sich her zu schieben.
Als das schon vertraute Kinderlachen an sein Ohr drang, lief ein kalter Schauer über seinen Rücken. Diesmal konnte er es nicht einem seiner quälenden Albträume zuschreiben, deshalb schob Xavian es ebenfalls auf den Wüstenwind.
Automatisch wanderten seine Gedanken zu Layla, die ihm in der Hochzeitsnacht Linderung verschafft hatte, als ihn die Panik im Schlaf zu überwältigen drohte. Sie tat ihm gut, aber sie beunruhigte ihn auch. Doch vor allem vermittelte sie ihm ein seltsam vertrautes Gefühl, das er nicht erklären oder benennen konnte.
Xavian legte sich auf den Rücken und starrte zum blauen Himmel empor. Er verengte die Augen und beschattete sie mit einer Hand vor der sengenden Sonne. Die andere fiel zur Seite, doch anstatt Sand spürte Xavian kühles Nass und zuckte erschrocken zurück. Fast rechnete er damit, Wassertropfen an den Fingern zu sehen, doch das war natürlich unmöglich!
Es geschah also schon wieder … der Wahnsinn griff nach seiner Seele …
Wie sollte er in diesem Zustand ein starker und verantwortungsvoller Herrscher für sein Land und Volk sein? Die Angst, den Verstand zu verlieren, nahm stetig zu. Xavian wollte nicht mehr denken oder grübeln und fürchtete sich plötzlich davor, die Antworten zu bekommen, nach denen er so lange gesucht hatte …
Erst nach Einbruch der Dunkelheit kehrte er mit schlafwandlerischer Sicherheit zurück in sein Wüstendomizil und zu seiner Frau. Ein sanfter Schein drang nach draußen in die schwarze Nacht, und als Xavian das Zelt betrat, unterbrachen die Musiker für einen Moment den Qanoon . Die Kerzen auf dem gedeckten Tisch flackerten, doch Layla war nirgendwo zu sehen.
„Die Königin war müde“, informierte ihn einer der Diener nervös. „Sie hat sich bereits für die Nacht zurückgezogen.“
Nicht nur sein Appetit verflüchtigte sich schlagartig, sondern auch die lähmende Müdigkeit, die ihn hierher zurückgetrieben hatte. Mit energischen Schritten durchquerte er den Hauptraum, riss den Vorhang zum Schlafgemach auf und trat ans breite Bett heran.
„Ich weiß, dass du wach bist.“
Layla hielt die Augen geschlossen und zuckte nur die Schultern. „Dann respektiere wenigstens, dass ich so tue, als würde ich schlafen, weil ich nicht die geringste Lust habe, mit dir zu reden“, antwortete sie gereizt und brachte Xavian damit überraschend zum Lachen.
Das wiederum verstimmte Layla nur noch mehr. Empört schlug sie die Augen auf und bedachte ihren Gatten mit einem vorwurfsvollen Blick. „Es ist fast Mitternacht, und dass die Wüste besonders in der Dunkelheit gefährlich ist, brauche ich gerade dir wohl nicht zu sagen!“
„Ich bin an die Wüste gewöhnt“, entgegnete er gelassen.
„Nicht in der Nacht, ohne Equipment und mutterseelenallein.“
Ja, er war allein. Allein mit dem Wissen um den Verlust seines Verstandes …
Wortlos zog er sich aus, legte sich zu Layla ins Bett und löschte das Licht. Doch selbst als endlich die Musik verklang, kam Xavians Geist nicht zur Ruhe.
Es war noch gar nicht lange her, dass er den Palastarzt konsultierte. Es hatte ihn ungeheuer viel Mut gekostet, ihm von seinen Ängsten zu erzählen. Der Arzt warnte Xavian dringend davor, mit irgendjemand außer ihm darüber zu reden. Das Gefühl eines Déjà-vu-Erlebnissessei so etwas wie eine milde Art von Krampfanfall. Dafür hatte er ihm Pillen mitgegeben, die Xavian zwar entgegennahm, später aber wegwarf.
Er traute dem Arzt nicht. Aber waren krankhaftes Misstrauen und Paranoia nicht nur weitere Anzeichen einer
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