In Den Armen Des Schicksals
auf ihrem Weg.
Als sie ihren Rundgang beendet hatte, blieb sie stehen und schaute über die Landschaft, die sie in so kurzer Zeit lieben gelernt hatte. „Ich wusste nie wirklich, dass es hier so schön ist. Die Landschaft schien mir immer wie ein geschickt ausgeklügeltes Puzzle, doch jetzt kann ich das ganze Bild sehen. Und ich liebe es.“
Sie drehte sich um, Iain stand direkt hinter ihr. „Es liegt dir im Blut. Und wie es scheint, ist es den Jahrhunderten nicht gelungen, es zu verwässern.“
„Du liebst es auch, nicht wahr?“
„Deshalb kehre ich immer hierher zurück. Ganz gleich, wohin ich auch gehe, ich komme immer wieder, was mich hier auch erwarten mag.“
Es war eine völlig harmlose Bemerkung, doch in seiner Stimme schwang etwas mit, das ihr einen Schauder über den Rücken jagte.
„Du frierst.“ Er fasste sie bei den Armen. „Das ist ja auch kein Wunder. Hast du genug gesehen? Kann der Rest bis später warten?“
Fast erwartete sie, er würde sie küssen. In seinen Augen lag mehr als nur Fürsorge. Es war etwas, das so alt war wie das Schloss selbst. Er rührte sich nicht, stand nur reglos da und hielt sie bei den Armen. Dann ließ er die Hände sinken und wandte sich ab.
Auf dem Rückweg zur Wendeltreppe musterte sie sein Gesicht. Die eingravierte Inschrift in der Brustwehr hätte sie sicher übersehen, wäre sie nicht ausgerechnet in diesem Moment über einen hoch stehenden Stein gestolpert. Sie fing sich schnell und fand das Gleichgewicht wieder, doch als sie den Blick senkte, fiel ihr auf, was sie vorher nicht gesehen hatte.
„Iain, was ist das?“
Einen langen Moment schwieg er, und als er endlich sprach, war seiner Stimme nicht anzumerken, warum er so lange für die Antwort gebraucht hatte. „Es ist eine Inschrift.“
Sie trat näher heran und beugte sich vor, um auf Augenhöhe mit den Zeilen zu sein. „Das sieht aus, als wenn es sehr, sehr alt wäre.“ Mit den Fingerspitzen fuhr sie über die Buchstaben. „Ich kann nichts davon lesen.“
„Weil es Gälisch ist.“
„Eigentlich verstehe ich Gälisch sogar ein wenig, wenn es gesprochen wird. Nur habe ich nie versucht, es zu lesen oder zu schreiben. Ich hatte vor, es mir hier zu erarbeiten.“
„Wie kommt es, dass du Gälisch verstehst?“
„Meine Mutter hat uns grundsätzlich in Gälisch zusammengestaucht. Und ob du’s glaubst oder nicht, ihr Vater sprach es fließend. Er konnte Gedichte rezitieren und erzählte Geschichten, die sein Vater ihm erzählt hatte. Du siehst also, ich habe die Volksmärchen schon in die Wiege gelegt bekommen. Und Gälisch wohl auch.“ Sie wandte ihm das Gesicht zu. „Was steht da?“
„Nicht so viel, wie es eigentlich sollte. Sieh dir den Stein doch genauer an.“
Sie folgte seiner Aufforderung und erkannte bald, was er meinte. „Da ist nur eine Hälfte, die andere Hälfte fehlt.“ Sie runzelte die Stirn. „Das ist seltsam, Iain. Dabei sieht es so aus, als wäre der Stein absichtlich so eingesetzt worden. Weißt du etwas darüber?“
„Es ist schwierig, eine halbe Inschrift zu entziffern, noch dazu eine, die durch die Zeit verblasst und verwittert ist.“
„Hat sich die schon mal ein Experte angesehen?“
„Soweit ich weiß, hat niemand von den Archäologen sie als besonders wichtig erachtet.“
„Ich liebe geheimnisvolle Rätsel.“ Nur unwillig richtete sie sich wieder auf.
Iain hielt ihr seine Hand hin. „Und ich liebe ein warmes Kaminfeuer und eine wundervolle Frau.“
Sein Blick ließ sie alles andere vergessen. Sie verschränkte ihre Finger mit seinen. „Der Abstieg wird wesentlich leichter werden als der Aufstieg.“
„So? Warum?“
„Weil ich dich dieses Mal anschauen kann.“
„Aber deine Ansicht wird nur halb so interessant werden wie die, die sich mir geboten hat.“
Den Weg die Wendeltreppe hinab und die Fahrt zurück nach Fearnshader verbrachten sie in einvernehmlichem Schweigen, doch sobald sie vor das riesige Gebäude vorfuhren, war Billie plötzlich alles andere als wohl zumute.
Das alte Haus, am Abend von Duncans und Maras Hochzeit so einladend und warm, wirkte an diesem sonnigen Winternachmittag düster und abweisend. Innen war es auch nicht besser. Die Dielen und Korridore waren kalt und klamm, stumpfe Trostlosigkeit hatte sich wieder über die Räume gesenkt. Iain schien es nicht aufzufallen, doch Billie spürte die Einsamkeit, die hier wie ein lebendiges Wesen hauste. Umso froher war sie, dass Iain und sie den Tag zusammen verbrachten. Der
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