In Den Armen Des Schicksals
anderen wird dein Wort wohl nicht viel Gewicht haben.“
„Ich war nicht einmal in der Nähe deines Autos!“
„Ich würde mir ein Land aussuchen, das wirklich weit weg liegt“, sagte Iain. „Am besten eines, mit dem kein Auslieferungsabkommen besteht.“
Jeremy umkreiste Iain in einem großen Bogen und stürmte dann die Treppe hinunter. Billie hatte das Gefühl, als wollten ihre Knie nachgeben. Sie starrte Iain an. Seine blauen Augen waren absolut ausdruckslos. Von dem Aufruhr, der in seinen Worten gelegen hatte, war nichts in seinem Gesicht zu erkennen. Der Wind zerrte an seinem Haar, doch seine Miene war die eines Mannes, den nichts berührte. „Bist du in Ordnung?“, fragte er sie.
Sie nickte, obwohl es nicht stimmte. „Woher wusstest du …?“
„Dass du hier bist? Ich sah Maras Wagen. Ich wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis du herkommen würdest, um den Stein zu untersuchen.“
„Ich dachte, du wärst gar nicht in der Stadt.“
„Ich hatte erfahren, dass Jeremy auf dem Weg zurück war. Ich kam ungefähr eine Stunde vor ihm an. Seitdem habe ich jeden seiner Schritte verfolgt.“
„Du hast ihn beschatten lassen?“
„Ich befürchtete, er könnte dir erneut nachstellen.“
„Damit hattest du wohl recht.“ Langsam ging sie auf ihn zu. „Also hast du gewartet, bis er es tat, und dann erst hast du dich gezeigt? Was bin ich, der Köder für eine Falle?“ Sie blieb direkt vor ihm stehen. „Kannst du deine Spielchen mit Jeremy nicht ohne mich spielen?“
„Wie viel von dem, was gesagt wurde, hast du verstanden?“
„Mit Verlaub, ich hatte noch nicht viel Zeit, um darüber nachzudenken!“
„Er hat dich benutzt.“
„Das muss ich ihm lassen, er weiß, wen er sich aussuchen muss. Aber vielleicht steht es mir ja auch auf der Stirn geschrieben.“
„Du bist es gar nicht, hinter der er her ist. Er will sich an mir rächen.“
„Wozu braucht er dann mich? Und wofür will er sich rächen?“ Sie wusste nicht, ob sie ihn bei den Schultern packen und schütteln oder ihn in die Arme nehmen und trösten sollte. Er machte den Eindruck, als würde er weder das eine noch das andere zulassen, doch hinter seiner eisernen Selbstbeherrschung spürte Billie die Verzweiflung.
„Billie.“ Eine Sekunde lang ließ seine Wachsamkeit nach, tiefe Trauer stand in seinem Blick. „Alles, was er gesagt hat, ist wahr.“
Sie hatte Angst, ihn zu berühren. „Erklär es mir, damit ich es verstehen kann.“
Er schwieg.
„Iain, war dein Vater ein Mörder? Wollte Jeremy das damit sagen? Hat dein Vater den Verstand verloren und dann im Wahn jemanden umgebracht?“
„Mein Vater hat niemanden getötet.“
„Was war es dann?“
„Meine Mutter war es.“
Für einen langen Moment stockte ihr der Atem. Sie starrte ihn an und wünschte, sie hätte nie gefragt.
„Meine Mutter hat meinem Vater Sterbehilfe geleistet, lange bevor die kontroverse Diskussion darüber überhaupt entflammte. Mein Vater glitt mehr und mehr in den Wahnsinn. Beide, mein Vater und meine Mutter, waren sich lange Zeit darüber bewusst. Fletcher hat recht. Die Ross’ sind seit Jahrhunderten verflucht. Wir leiden an einer neurologischen Erbkrankheit, die so selten vorkommt, dass du den Namen nicht kennen würdest. Die Symptome treten im mittleren Alter auf, und zu dem Zeitpunkt ist die Krankheit bereits an die nächste Generation weitergegeben worden. Die Krankheit liegt seit Jahrhunderten in unserer Familie. Manchmal waren wir dumm genug, zu glauben, es sei endlich vorbei, doch dann verfiel wieder ein Familienmitglied dem Wahnsinn. Mein Vater war nicht der Erstgeborene, rechtmäßig gesehen, hätte er das hier alles gar nicht erben sollen.“ Er machte eine Geste mit der Hand, die das gesamte umliegende Land einschloss. Und es war das Traurigste, was Billie je gesehen hatte, denn sie wusste, dass nichts von dem, was Iain besaß, auch nur die geringste Bedeutung hatte. „Also gab es einen Bruder, der gestorben ist?“, vermutete sie.
„Zwei. Einer im Krieg, einer bei der Geburt. Sein eigener Vater kam bei einem Unfall ums Leben, bevor er alt genug war, um Symptome zu zeigen. Obwohl bei dessen Bruder, meinem Großonkel, später dann die Diagnose gestellt wurde. Zu dem damaligen Zeitpunkt fing die Forschung gerade erst an, die genetischen Grundlagen für diese Erbkrankheit zu entschlüsseln. Hoffnung keimte auf, dass mein Großvater nie betroffen war, damit wäre mein Vater auch frei von der Krankheit gewesen, so wie alle seine
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