In den Armen des Schotten
»Kämpft! Kämpft!«
Und was hat all dies nun mit meinem Schreiben zu tun? Nun … wenn Sie irgendetwas im Verlauf der letzten Jahre über mich erfahren haben, dann dass ich Tiere sehr schätze. Unwillkürlich sehe ich immer wieder Parallelen zwischen meinen gefiederten und vierbeinigen Freunden und uns Menschen – insbesondere den Personen in meinen Geschichten. Durch die Beobachtung der Natur habe ich gelernt, das Unerwartete zu erwarten.
Es bringt mich nicht mehr durcheinander, wenn ich unbekümmert vor mich hin schreibe und mich dabei an das halte, was ich mir vorher überlegt habe, um dann plötzlich zu erleben, wie einer meiner Charaktere etwas tut oder sagt, was ich nicht erwartet hatte. Manchmal merke ich sogar erst, dass etwas anders ist, nachdem es passiert ist!
Jack Stone überrumpelte mich förmlich, als er das erste Mal das Blatt betrat. Der Kerl zielte doch tatsächlich mit einem Gewehr auf Megan und Kenzie. Es war mir unwichtig, dass es nicht geladen war. Es ist einfach nicht nett, wenn der Held so etwas tut.
Zu diesem Zeitpunkt – was recht früh in der Geschichte war – fragte ich mich, ob ich Jack überhaupt mögen würde. Würde er einer von diesen Charakteren sein, der mir allen möglichen Ärger bereiten würde oder einer, in den ich mich selber Hals über Kopf verliebte? Ehrlich … ich bin sehr aufgeschlossen, wenn es um meine Geschichten geht. Ich bin genauso neugierig darauf, was als Nächstes passiert, wenn ich schreibe, wie Sie, wenn Sie es lesen. Wenn ich bereits wüsste, wie alles laufen wird, warum sollte ich mich dann Monate in meinem Arbeitszimmer einsperren und mich nur mit den Einzelheiten abgeben?
Ich überlege mir den Handlungsverlauf meiner Bücher nicht akribisch genau; es gibt weder Storyboard noch fertige Szenen. Ich weiß noch nicht einmal, wer alles mitspielen wird, wenn ich »Kapitel 1« tippe. (Bitte, verraten Sie das bloß meiner Lektorin nicht! Wahrscheinlich würde sie einen Herzinfarkt bekommen.) Für mich ist das Erzählen einer Geschichte so unvorhersehbar wie das Leben selbst. Ich kann gar nicht wissen, was morgen oder nächste Woche oder nächstes Jahr passiert … und ebenso wenig, was das nächste Kapitel bringt.
Bestimmt können wir unsere Zukunft planen, aber wie häufig passiert es schon, dass alles genauso kommt, wie wir es uns vorgestellt haben? Und wenn wir in die Zukunft blicken könnten, würden wir das wirklich wollen? Wenn eine Raupe wüsste, dass sie innerhalb von Stunden, nachdem sie als Schmetterling hinausflog, von einem Vogel gegessen wird … würde sich der Schmetterling überhaupt noch die Mühe machen, aus seinem Kokon zu krabbeln? Könnte man sich überhaupt noch wie wahnsinnig in einen Menschen verlieben, wenn man wüsste, dass diese Liebe nach ein paar Jahren zu Ende geht?
Jeden Morgen, wenn wir die Augen öffnen, wissen wir, dass die Entscheidungen, die wir im Laufe des Tages treffen, den nächsten Tag beeinflussen werden. Und so ist es auch mit meinen Charakteren. Sie hoffen genauso sehr wie wir, dass die Entscheidungen, die sie treffen, die richtigen sind. Sollten sie zu ihrem Nachbarn gehen und den attraktiven Typen nach einer Tasse Zucker fragen? Sollten sie vielleicht ihre Arbeit kündigen? Sollten sie den Kurs belegen, den sie schon immer besuchen wollten?
Meine Charaktere denken vielleicht, dass sie ihr ganzes Leben schon verplant hätten, wenn wir ihnen das erste Mal begegnen, und sie denken vielleicht auch, dass sie wüssten, wie sie sich in jeder Situation verhalten. Aber wissen Sie was? Sie sind häufig genauso überrascht wie ich darüber, wie sie sich plötzlich verhalten. Genau wie meine Henne, die diesen Wurm packte, aufschaute und plötzlich feststellte, dass das andere Ende im Schnabel einer Krähe steckte, müssen meine Charaktere letztendlich selbst entscheiden, ob es sich für das, was sie haben wollen, lohnt zu kämpfen.
Ich habe mich tatsächlich in Jack Stone verliebt.
Und Sie?
Bis bald vom Lake Watch,
Janet
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2008 unter
dem Titel »Secrets Of The Highlander« bei Pocket Star Books,
A Division of Simon & Schuster, Inc., New York.
1. Auflage
Deutsche Erstausgabe Juli 2009 bei Blanvalet, einem Unternehmen
der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
Copyright © der Originalausgabe 2008 by Janet Chapman
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009 by Blanvalet
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