In den Armen des Sizilianers
daran war nicht nur die Kälte im Cottage schuld. Rasch drehte sie sich um. Sie hasste sich dafür, wie sie auf ihn reagierte, und hatte den Eindruck, dass er sie nur irritieren wollte, indem er zuerst seine Besitzansprüche auf Gino geltend machte und sie dann mit seinen durchdringenden Blicken verunsicherte. In ihrem Innern herrschte das absolute Chaos. Irgendwie kannte sie sich nicht wieder. Die Frau, die sie bisher gewesen war, gab es offenbar nicht mehr, stattdessen hatte eine Fremde ihren Platz eingenommen.
Sie eilte in ihr Schlafzimmer und zog sich rasch andere Jeans und einen frischen Pullover an. Es war ihr normales alltägliches Outfit, das man beim besten Willen nicht als verführerisch bezeichnen konnte. Und das war gut so. Sie war nicht bereit, sich Vincenzo zuliebe besondere Mühe mit ihrem Aussehen zu geben. Er sollte nicht auf die Idee kommen, dass sie ihn beeindrucken wollte.
Nachdem sie die Haare trocken geföhnt und gebürstet hatte, atmete sie tief durch und ging wieder ins Wohnzimmer. Vincenzo stand mit Gino auf dem Arm am Fenster, schaute hinaus in den Garten und betrachtete offenbar die hohe alte Kastanie auf dem Nachbargrundstück.
Als Gino sie hereinkommen hörte, brabbelte er vor sich hin und streckte die Ärmchen nach ihr aus. Sie nahm Vincenzo den Kleinen ab, drückte ihn an sich und barg das Gesicht in seinen weichen Löckchen, während sie die Emotionen, die in ihr tobten, unter Kontrolle zu halten versuchte.
Mein Herz klopft viel zu heftig und zu laut, fand Vincenzo. Er war so aufgewühlt und berührt wie noch nie zuvor. Es gefiel ihm allerdings nicht, dass Emma den Jungen so übertrieben fürsorglich an sich presste. Seine Miene wurde hart.
Schließlich sah Emma auf und begegnete seinem Blick. Es war unmöglich, ihn zu ergründen. Doch das überraschte sie nicht. Abgesehen von den ersten stürmischen Monaten, als sie noch wie berauscht gewesen waren von der Heftigkeit ihrer sexuellen Leidenschaft, die sie für Liebe gehalten hatten, hatte sie nie erraten können, was in ihm vorging. Er vertraute sich ihr nicht an und schien der Meinung zu sein, über Gefühle zu reden sei ein Zeichen von Schwäche.
„Hast du Kaffee im Haus?“, fragte er unvermittelt.
„Ja, aber nicht den, den du gern trinkst“, erwiderte sie. „Die Maschine findest du im Küchenschrank.“
„Ah ja. Offenbar hast du nicht die Unsitte deiner Landsleute übernommen, Pulverkaffee zu trinken“, stellte er sarkastisch fest, ehe er den Raum verließ.
Emma folgte ihm und war gespannt darauf, wie er zurechtkam. Etwas überrascht war sie schon, dass er sie nicht aufgefordert hatte, ihm den Kaffee zu machen, aber vielleicht hatte er so weit nicht gehen wollen. Für einen Mann, der normalerweise im Haushalt keinen Handschlag tat und sich von geschultem Personal bedienen ließ, stellte er sich erstaunlich geschickt an, wie sie sich eingestand.
Warum hatte er sich nicht genauso mühelos an ein partnerschaftliches Miteinander in der Ehe gewöhnen können, statt an dem altmodischen und längst überholten Denken festzuhalten, der Mann hätte immer das Sagen?
Emma setzte Gino auf die bunte Decke, die sie in den letzten Tagen der Schwangerschaft genäht hatte, und gab ihm sein Spielzeug.
Vincenzo wollte gerade den Kaffee einschenken, hielt jedoch inne und verzog die Lippen. „Warum hast du ihm so etwas Billiges gekauft?“, fragte er verächtlich und deutete auf das Spielzeug.
„Ich habe es für ihn gebastelt, er hat mir dabei zugeschaut“, verteidigte sie sich hitzig. „Er ist sehr kreativ und hat viel Spaß damit. Kinder können oft mit einfachem Spielzeug besser umgehen als mit teurem und kompliziertem.“
„Was du dir wahrscheinlich sowieso nicht leisten kannst, stimmt’s?“
Sie zuckte betont gleichgültig die Schultern. „Richtig, das kommt hinzu.“
Er sah sich um und machte keine Anstalten, seinen Abscheu zu verbergen, ehe er sich auf einen der harten Stühle an den Küchentisch setzte. „Du musst offenbar an allen Ecken und Enden sparen“, stellte er fest. Der Blick, den er ihr zuwarf, hätte Wasser zu Eis gefrieren lassen können. „Deshalb hast du dich vermutlich an mich erinnert und bist zu mir zurückgekommen.“
Es war der falsche Zeitpunkt, ihn zu korrigieren und ihm klarzumachen, dass sie nicht zu ihm zurückgekommen war und dass es ihr nur darum ging, einen Schlussstrich unter die gescheiterte Ehe zu ziehen. Mit Gefühlen hatte das überhaupt nichts zu tun. „Ich wollte nur das Beste
Weitere Kostenlose Bücher