In den Armen meines Feindes
gegenüber. Er runzelte die Stirn, als er den Gefühlstumult bemerkte, der sie zu überwältigen schien. Preschte er zu schnell vor? Erst vor wenigen Stunden hatte sie ihren Ehemann beerdigt. Sicher, sie hatte Joseph Ferliani nur wegen des Geldes geheiratet. Aber es war immerhin denkbar, dass sie in fünf Jahren gewisse Gefühle für ihren Mann entwickelt hatte.
Allerdings, so ermahnte er sich schnell, spielte es mit Sicherheit eine größere Rolle, dass sie ihr gesamtes Erbe verloren hatte. Derartige Krokodilstränen waren ihm schließlich bekannt. Er hatte sie bereits in den Augen seiner Mutter gesehen, nachdem der Geldfluss ausgetrocknet war. Am besten, man ignorierte derart emotionale Szenen. Denn eines war ganz klar: Nikki Ferliani war nur an Geld und ihrer Position interessiert.
Er beobachtete, wie sie die Karte ablegte und mit zitternden Fingern in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch kramte, sich die Augen tupfte und das Taschentuch wieder verschwinden ließ.
„Du bist aufgewühlt.“
„Das scheint dich zu erstaunen“, sagte sie ironisch.
„Es war ein schwerer Tag für dich“, gestand er zu. „Möglicherweise habe ich unterschätzt, wie schwer.“
Sie verzog verächtlich das Gesicht. „Du brauchst nicht nett zu mir zu sein, Massimo. Das passt nicht mehr zu dir.“
„Wenn ich nicht nett bin, so trägst du die Verantwortung dafür“, schoss er zurück. „Was du mir angetan hast, ist unverzeihlich. Also beschwer dich nicht über die Art, wie ich dich behandle. Ich bin nicht mehr so naiv wie vor fünf Jahren.“
„Wir haben uns einfach zur falschen Zeit getroffen.“ Unter seinem funkelnden Blick senkte sie die Lider.
„Da bin ich anderer Meinung. Ich habe gerade noch rechtzeitig herausgefunden, wozu manche Frauen fähig sind. Du hast einen Mann geheiratet, der dein Vater hätte sein können. Und warum? Weil du unbedingt sein Vermögen wolltest. Erwarte daher kein Mitgefühl von mir. Ich genieße es, dir vor Augen zu führen, dass dieses Vermögen für dich nicht mehr existiert.“
Nikki verkrampfte die Finger. „Du hättest Joseph niemals so schrecklich erniedrigen dürfen. Ist dir nicht klar, wie sehr er gelitten hat?“
Ein Muskel zuckte in Massimos Wange. „Ausgerechnet du willst mir sagen, was ich hätte tun sollen oder nicht?“
Sie hob ihr Kinn. „Ja, ich“, beharrte sie. „Du hättest ihm die Firma für einen fairen Preis abkaufen sollen, anstatt ihn fertigzumachen, wie du es getan hast.“
Wut sprühte aus seinem Blick. „Ich habe nur zurückgeholt, was er meinem Vater genommen hat.“
„Darum geht es nicht“, hielt sie dagegen. „Was hat es dir gebracht, einen sterbenden Mann zu zerstören?“
„Das war eine Frage der Ehre.“
„Nur schade, dass deine Vorgehensweise wenig mit Ehre zu tun hatte.“
Er verzog den Mund. „Das klingt ja fast, als hättest du dir wirklich etwas aus ihm gemacht.“
„Ja …“ Sie biss sich auf die Lippe. „Ja, das habe ich tatsächlich.“
„Dennoch hast du ihn des Geldes wegen geheiratet.“
Das Schweigen zwischen ihnen hallte wie Donnerhall in Nikkis Ohren.
„Ich habe ihn geheiratet, weil ich musste“, antwortete sie endlich.
Massimo runzelte die Stirn. „Du musstest?“ Er lehnte sich leicht vor. „Was meinst du damit? Hat er dich gezwungen?“
Es wäre so einfach, die Wahrheit zu sagen. Doch in den langen Monaten, in denen sie Joseph pflegte, hatte sie viel über ihn erfahren. Unter anderem hatte er ihr gestanden, warum er damals so skrupellos gewesen war. Seine Kindheit war ähnlich verlaufen wie ihre. In seinem Leben hatte er Einsamkeit, Zurückweisung und Schuld erfahren, und es hatte Nikki tief berührt, als er davon sprach. Diese Details jetzt seinem verhassten Stiefsohn gegenüber zu erwähnen erschien ihr wie ein Verrat. Joseph war ein Mann mit Fehlern gewesen, aber im Grunde seines Herzens ein guter Mensch.
„Nein“, sagte sie deshalb nach einer Weile. „Er hat mich nicht gezwungen.“
„Du hast ihn aus freien Stücken geheiratet?“
„Ja.“ Sie zwang sich, Massimos Blick standzuhalten. „Damals war es das, was ich tun wollte.“
Die dunklen Augen lagen unverwandt auf ihr. „Aber du hast ihn nicht geliebt? Zumindest zum Zeitpunkt der Hochzeit nicht.“
Ein leiser Seufzer kam über ihre Lippen. „Nein …“
Wieder lastete drückendes Schweigen zwischen ihnen.
„Warum hast du mir damals nicht gleich am ersten Abend erzählt, dass du verlobt bist und am nächsten Wochenende heiraten
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