In den eisigen Tod
Abgelichteten das Urteil gesprochen war – die Erschöpfung und das Gefühl der Vergeblichkeit stehen ihnen ins Gesicht geschrieben. Aus ihren verhärmten und vom Wetter gegerbten Gesichtern spricht keine Freude. Oates sieht müde und leidend aus und stützt sich schwer auf sein kürzeres linkes Bein.
Sie trugen die Fahnen über eine kurze Entfernung nach Norden, befestigten sie an einem Stock und bedienten sich dann aus der überschüssigen Ausrüstung, die Amundsen zurückgelassen hatte – so nahm Bowers ein Paar Fäustlinge aus Rentierfell mit, um seine verlorengegangenen aus Hundefell zu ersetzen. Amundsen hatte erwogen, für sie einen Reservekanister Petroleum zurückzulassen, war aber zu dem Schluss gelangt, dass Scotts Gruppe so gut mit Vorräten versorgt sein würde, dass es wenig Sinn habe. Doch wie die Ereignisse zeigen sollten, wäre das der größte Dienst gewesen, den er seinen geschlagenen Rivalen, die sich jetzt auf den Rückmarsch vorbereiteten, hätte erweisen können.
Das war es also gewesen – ein banales und demütigendes Ende einer langen und abenteuerlichen Reise. Ihre Ambitionen waren zunichte gemacht, und es gab nur noch den Trostpreis. Scott schrieb: »Nun haben wir dem Ziel unseres Ehrgeizes den Rücken gekehrt und müssen uns unserer 1500 Kilometer langen, ununterbrochenen Schinderei stellen – und die meisten Tagträume begraben!«
Kapitel 15
Gott helfe uns
Während Scotts müde Gruppe denselben Weg zurückging, zogen sie auch an der »unheilverkündenden schwarzen Fahne« vorbei, die nur drei Tage zuvor ihre Hoffnungen zunichte gemacht hatte. 1 Sie nahmen die Fahnenstange mit, die ihnen bei der Herstellung eines Segels helfen sollte, denn sie hofften, den Wind nutzen zu können, um auf ihrem Rückweg schneller voranzukommen. Sie war aber aus Hickoryholz, an dessen Splittern Wilson sich verletzte, und wurde schon bald weggeworfen. Zunächst kamen sie ganz ordentlich voran und traten in ihre alten Spuren, doch dann machten Schauer feiner Eiskristalle den Boden schwer, und alle spürten die Kälte noch stärker als auf der Hinreise. Scott kam zu dem Schluss: »Die Rückreise wird schrecklich ermüdend und eintönig werden.« Während der folgenden Tage überwiegen in seinem Tagebuch so düstere Beschreibungen wie »schrecklich schlecht«, »wirklich entsetzlich« oder »furchtbar müde«. Dies steht in krassem Gegensatz zu Amundsens munterem Bericht über die Abreise der Norweger vom Pol: »Das Tempo war großartig, und wir waren alle guter Laune.« 2
Scotts Männer waren ganz und gar nicht guter Laune. Sogar Bowers, bis zuletzt »ein ungebrochener, kleiner feiner Kerl« 3 und von einem erfreulichen Optimismus, fand mit seinen kurzen Beinen die langen Märsche anstrengend und sehnte sich nach seinen »guten alten Skiern«. Oates litt unter der Kälte und an Erschöpfung. Doch Scott war entschlossen, ein gutes Marschtempo einzuhalten, damit sie die Chance hätten, rechtzeitig zurück zu sein, um das Schiff noch zu erreichen. Die Möglichkeit, dass sie überhaupt nicht zurückkehren könnten, zog er gar nicht ernsthaft in Betracht. Tatsächlich wurde die zurückkehrende Terra Nova am 20. Januar gesichtet, also nur drei Tage nach ihrem Aufbruch vom Pol, als das Schiff versuchte, sich seinen Weg durch das Packeis zu bahnen.
Sie kamen beharrlich voran. Bowers hielt fest, wie sie besorgt nach der Kette von Steinhaufen Ausschau hielten, die sie auf ihrer Odyssee zum Pol aufgerichtet hatten: »Wir sind hundertprozentig auf unsere Depots angewiesen, um lebend wieder vom Plateau herunterzukommen, und deshalb begrüßen wir die einsamen kleinen Steinhaufen jedes Mal mit Freuden.« Sie machten sich, wann immer sie konnten, den Wind zunutze. Am 23. Januar schrieb Bowers guten Mutes nieder: »Wir hissten das Segel und legten vor dem Mittagessen frisch fröhlich und in rasender Eile 15 1 / 2 Kilometer zurück. Am Nachmittag war der Wind sogar noch stärker, und ich musste auf den Schlitten steigen und als Führer und Bremser fungieren. Wir mussten das Segel etwas tiefer halten, doch selbst dann flog der Schlitten dahin wie ein Vogel.« Aber noch am selben Tag deprimierte sie Wilsons Entdeckung, dass Edgar Evans’ Nase schwer erfroren war – »weiß und hart« laut Scott. Auf der Discovery -Expedition hatte Scott festgestellt, dass Evans’ Nase immer »das erste Anzeichen für Frostbeulen-Wetter« war, aber Evans machte keine Späße mehr über seine »alte Blüte«, wie er seine Nase einst
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