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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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Entdeckung und der Erkenntnis, dass die Gruppe nur 20 Kilometer vom One Ton Depot umgekommen war. Gran legte sich Scotts Skier an, damit wenigstens sie ihre Reise zu Ende brachten. In der Nachricht, die sie am Steinhaufen hinterließen, wurden »das erbarmungslose Wetter und der Brennstoffmangel« als Todesursachen genannt – aber es war natürlich mehr als das.

Kapitel 18
    Die Sache wimmelt von ›Wenns‹
    Die Frage, warum die Pol-Gruppe umkam, hat Scotts Zeitgenossen ebenso vor Rätsel gestellt wie nachfolgende Generationen. War es Pech, oder lag es an Fehleinschätzungen, oder wirkten beide Faktoren zusammen? Warum sollte Amundsen, der Abenteurer und Eindringling, erfolgreich sein, während eine sorgfältig organisierte britische See-Expedition in einer Katastrophe endete? Hatte man zu sehr auf die britische Begabung fürs »Durchwursteln« vertraut? War Scott lediglich ein talentierter Amateur, der die Dinge anders hätte anpacken müssen?
    Scotts »Botschaft an die Öffentlichkeit«, die er unter enormem Druck abfasste, während seine beiden Freunde neben ihm im Sterben lagen, enthält eine vorsichtige Rechtfertigung seiner Leitung der Expedition. Er wollte die Öffentlichkeit darüber informieren, dass die Katastrophe nicht »auf fehlerhafte Organisation, sondern auf Pech bei allen eingegangenen Risiken« zurückzuführen sei. Er nannte den Verlust der Ponys im Laufe der Reise, auf der die Vorratslager angelegt wurden; dadurch war er gezwungen gewesen, später zu starten und sie konnten deswegen auch weniger Vorräte transportieren; ferner das schlechte Wetter und insbesondere die Stürme, die sie Anfang Dezember vier Tage lang aufhielten, sowie den weichen Schnee in den unteren Regionen des Beardmore-Gletschers. Scott behauptete, die Lebensmittelvorräte, die Kleidung und das Einrichten der Depots – all das sei in allen Details »perfekt« geplant worden; nicht vorherzusehen sei allerdings das »erstaunliche Versagen« von Unteroffizier Evans gewesen, das, verschlimmert durch das schlechte Wetter, ihren Abstieg vom Beardmore verzögerte. Doch diese Ereignisse seien nichts gewesen im Vergleich zu »der Überraschung, die uns auf dem Ross-Schelfeis erwartete«.
    Scott behauptete, dass »niemand mit den Temperaturen und Bodenverhältnissen gerechnet hätte, mit denen wir zu dieser Jahreszeit auf dem Ross-Schelfeis konfrontiert waren.« Doch selbst dann wäre die Gruppe seiner Meinung nach trotz eines höllischen Monats und »des entsetzlichen Wetters« durchgekommen, hätten nicht die Kräfte von Rittmeister Oates nachgelassen, wäre nicht die unvorhergesehene Brennstoffknappheit eingetreten und der Sturm losgebrochen, der sie nur 20 Kilometer vom One-Ton-Depot zum Halten gezwungen hatte. Scott räumte ein: »Wir sind wissentlich Risiken eingegangen; die Dinge haben sich gegen uns gewandt, deshalb haben wir keine Veranlassung, uns zu beklagen, sondern müssen uns dem Willen der Vorsehung beugen, entschlossen, bis zum Ende unser Bestes zu geben.«
    Scott schrieb nicht nur, um sich zu rechtfertigen und in seinen letzten Augenblicken Trost zu suchen, sondern um die finanzielle Unterstützung der Familien derer, die umgekommen waren, einschließlich seiner eigenen, sicherzustellen. Mit Kathleens voller Rückendeckung hatte er den größten Teil seines eigenen kleinen Vermögens, etwa 3000 Pfund, in die Expedition investiert. Die Expedition musste von der Öffentlichkeit so gesehen werden, dass britische Männer tapfer gegen unvorhergesehene Schwierigkeiten ankämpften und schließlich von der Hand eines grausamen Schicksals zu Boden gestreckt wurden. Deshalb schrieb er, solange er konnte, den Bleistift in seiner eisigen Hand haltend – seine letzten Worte waren ein dahingekritzeltes: »Kümmert Euch um Gottes willen um unsere Angehörigen!« Doch was glaubte Scott in seinem Innersten, als das Ende näher kam? Ein Mann, der so sehr zu Zweifeln, Besorgtheit und kritischer Selbstanalyse neigte, musste gewusst haben, dass mehr im Spiel war als bloßes »Pech« – obschon er wirklich Pech im Übermaße hatte – und dass seine Vorbereitungen zwar großenteils wohldurchdacht, aber eben doch nicht »perfekt« gewesen waren.
    Die Gründe dafür, dass sie nicht mehr wohlbehalten nach Cape Evans zurückkehrten, waren vielschichtig. Scott hatte zum Teil recht, wenn er sein Pech dafür verantwortlich machte. Die Aura des Pechvogels, die Kathleen schon zu Beginn ihrer Bekanntschaft erahnt hatte, verfolgte ihn während der

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