In den eisigen Tod
Pflicht darin, das Beste daraus zu machen und sich in jener »vollkommenen Selbstbeherrschung« zu üben, die sie von Scott gelernt hatte.
Als Kathleen in Neuseeland eintraf, überreichte Atkinson ihr Scotts Tagebücher und seinen letzten Brief. Deren überzeugende, schöne Sprache und der sie tragende Geist entsprachen dem, was sie erwartet hatte. Doch während der folgenden Monate musste sie die Ironie beeindruckt haben, dass Scott so viele Dinge, die ihm zu Lebzeiten versagt geblieben waren, nun posthum im Übermaß verliehen wurden. Kathleen selbst erhielt den Status der Gemahlin eines Knight Commander des Bath-Ordens mit der Begründung, dass Scott, hätte er überlebt, diese Auszeichnung zuteil geworden wäre. Das Geld, um das er immer hatte kämpfen müssen, begann hereinzuströmen, weil die Nation jetzt auf seine »Botschaft an die Öffentlichkeit« reagierte. Bis Juli 1913 war der Scott Memorial Fund auf 7 5 000 Pfund angewachsen; das war mehr, als Scott zu seinen Lebzeiten je aufgetrieben hatte. Dies ermöglichte eine Unterstützung von je 8500 Pfund für Kathleen und Oriana, mit zusätzlichen 3500 für Peter, 6000 Pfund für Hannah Scott und ihre Töchter, 4500 für Bowers’ Mutter und ihre Töchter und 1250 Pfund für Lois, Edgar Evans’ Witwe. Da Oates ein wohlhabender Mann gewesen war, wurde eine Stiftung für ein Denkmal eingerichtet, das sein Regiment geplant hatte. Auch von der Regierung wurden Leibrenten und Pensionen ausgesetzt – Lois Evans erhielt jährlich 48 Pfund für sich und ihre drei Kinder, während Kathleen 100 Pfund im Jahr sowie ihre Pension von der Admiralität bekam, die aus 200 Pfund für sie plus 25 Pfund im Jahr für Peter bestand. Der Rest aus dem Fonds belief sich auf etwa 1 2 000 Pfund und wurde, nachdem die Schulden beglichen waren, in die Gründung des Scott Polar Research Institute der Universität Cambridge investiert.
Kathleen nahm ihr unabhängiges und geselliges Leben wieder auf, suchte gelegentlich Trost in Reisen ins Ausland, um »den Lobeshymnen, den Beileidsbekundungen und der traurigen Berühmtheit der Katastrophe in der Antarktis« zu entfliehen, 3 und widmete sich mit leidenschaftlicher, geradezu zwanghafter Hingabe ihrem Sohn. Als Bildhauerin erfreute sie sich wachsender Anerkennung, und zu ihren Werken zählten nunmehr Büsten und Statuen ihres geliebten Con, wie etwa die Bronzefigur in voller Schlittenausrüstung, die 1916 auf dem Waterloo Place in London enthüllt wurde. Andere wurden in Portsmouth und in Christchurch, Neuseeland, aufgestellt. Nachdem sie mit der Idee kokettiert hatte, sich von T.E. Lawrence, den sie in Marmor verewigte, den Hof machen zu lassen, heiratete sie 1922 den Politiker Edward Hilton Young, der später zum Lord Kennet of the Dene ernannt wurde. Sie erlebte noch, dass ihr Sohn Peter Scotts Ehrgeiz erfüllte und ein berühmter Naturforscher wurde. Sie starb 1947.
Was aber geschah mit den anderen, deren Leben von der Tragödie überschattet wurde? Amundsen war über Scotts Tod zutiefst bewegt. »Entsetzlich, entsetzlich«, lautete seine Reaktion, als er die Nachricht in Madison, Wisconsin, erfuhr. 4 Scotts Tragödie warf einen finsteren Schatten auf seine eigene Leistung. In der Bevölkerung wuchs das Gefühl, Amundsen habe dadurch, dass er Scott den ihm rechtmäßig zustehenden Preis weggeschnappt hatte, diesem auch das Herz gebrochen. Amundsen quälte sich darüber hinaus wegen seiner Entscheidung, am Pol keinen Ersatzkanister mit Brennstoff für Scott zurückzulassen, denn jetzt wusste er, dass dies sich auf den Ausgang der Reise entscheidend ausgewirkt hätte.
Amundsen, der niemals heiratete, fuhr fort, nach neuen Möglichkeiten der Grenzüberschreitung zu suchen. 1923 versuchte er, von Alaska nach Spitzbergen zu fliegen, aber sein Flugzeug stürzte schon beim Start ab. 1925 begaben er und einige Begleiter sich in zwei Flugzeugen auf einen Flug von Spitzbergen zum Nordpol, wurden aber zu einer Landung auf dem Packeis gezwungen. 1926 leitete er die erste Expedition, die die Arktis mit einem von dem Italiener Umberto Nobile gesteuerten Luftschiff namens Norge überqueren sollte. Zwei Jahre später stürzte Nobile auf einem Flug zum Nordpol an Bord des Luftschiffes Italia ab. Amundsen startete in einem kleinen Wasserflugzeug, um ihn zu retten, flog in einen eiskalten Winterhimmel hinein und wurde nie wieder gesehen. Ein paar Monate später wurden die Schwimmer und ein Benzintank des Flugzeugs gefunden. Amundsen und seine Kameraden
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