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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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Scotts wichtigstes Problem darin zu begreifen, was vor sich ging. »Sonnenverbrannt, ungewaschen, unrasiert und in Lumpen« 1 eilten Wilson und Scott an Bord der Morning , um zu erfahren, dass sich die Regierung aufgrund des Gerangels zwischen den beiden Gesellschaften verpflichtet gefühlt habe, die Befreiung der Discovery selbst durchzuführen. Dementsprechend hatte die Admiralität die Morning und die als stärkeres Schiff geltende Terra Nova entsandt. Shackleton, mittlerweile wieder fit und gesund, war die Stelle des Ersten Offiziers auf der Terra Nova angeboten worden, aber er hatte sie, vielleicht in kluger Voraussicht, abgelehnt. Die an Scott gerichteten Anweisungen waren unmissverständlich: Sollte die Discovery nicht rechtzeitig genug befreit werden können, dass sie mit den Hilfsschiffen abfahren konnte, musste sie aufgegeben werden.
    Scott war zutiefst bestürzt, weil man ihn in »eine ganz grauenhafte Situation gebracht« hatte, und seine Leute teilten seine Gefühle und nahmen die Befehle der Admiralität mit »steinernem Schweigen« entgegen. Aber sie mussten gehorchen. Es schien durchaus möglich, dass das Eis nicht rechtzeitig aufbrechen würde, und deshalb fing er an, die Ausrüstung von der Discovery über das Eis zu den Hilfsschiffen zu transportieren. Er hatte die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben und erteilte den Befehl, das Eis an mehreren strategisch sinnvollen Punkten zu sprengen, aber die Aktion war nur begrenzt erfolgreich. Wenn das Eis brach, dann nur, weil es selbst es so wollte, aber schließlich setzte dieser Prozess ein. Am 12. Februar lagen nicht einmal mehr fünf Kilometer festes Eis zwischen der Discovery und der Freiheit. Würde es noch rechtzeitig aufbrechen?
    Der 14. Februar brachte das, was einem gläubigen Menschen wie ein Wunder erschienen wäre, aber dem fatalistischen Agnostiker Scott erschien es wohl eher als holdes Lächeln des Glücks. Seegang und Sprengstoff machten endlich den Weg frei. Kapitän Colbeck von der Morning hinterließ eine bewegende und scharfsinnige Beschreibung von Scotts Freude: »Scott war fürchterlich aufgeregt. Er kam an Bord, sobald ich an der Eiswand entlangfuhr, und konnte kaum sprechen. Für ihn bedeutete das den Unterschied zwischen einem absoluten und einem relativen Erfolg, und in dieser Nacht gab es auf Erden keinen glücklicheren Menschen als Scott.« 2 Die Neuigkeit war auf der Discovery während des Abendessens mit dem Ruf »Die Schiffe kommen, Sir!« bekanntgegeben worden. Augenblicklich liefen die Männer zum Hut Point, von wo aus sie sehen konnten, wie das Eis aufbrach. Scott beschrieb, dass sich, sobald eine große Eisscholle weggeschwemmt war, eine dunkle Furche durch die feste Decke grub und blieb und eine weitere schuf: »Unsere kleine Gemeinschaft stand in ihren undefinierbaren, zerlumpten Kleidern atemlos und beobachtete diese wunderbare Szene. Lange Zeit blieben wir beinahe wie verzaubert da, und dann brach ein wahnsinniger Jubel aus.« Die Terra Nova und die Morning fuhren um die Wette, um als erste die Discovery zu erreichen, und gegen halb elf hatte es die Terra Nova inmitten von lautem Jubelgeschrei geschafft. Die Männer auf dem Hut Point hissten zur Feier ihren seidenen Union Jack.
    Das übrige Eis rund um die Discovery wurde zwei Tage später endlich durch Sprengladungen entfernt. Die letzte erschütterte das Schiff vom Bug bis zum Heck, aber sie war erfolgreich. Voller Dankbarkeit schrieb Scott: »Unser liebes Schiff wurde gerettet, damit es uns nach Hause bringt.« Am 16. Februar 1904 wurde eine traurige kleine Zeremonie abgehalten. Die Besatzung der Discovery versammelte sich barhäuptig um das Kreuz, das für den armen George Vince errichtet worden war, während Scott einige Gebete vorlas. Ganz in der Nähe sollte neun Jahre später zur Erinnerung an eine andere Tragödie ein weiteres Kreuz aufgestellt werden.
    Aber am nächsten Tag gerieten sie an den Rand einer Katastrophe. Als würde sich ein böser Geist weigern, sie loszulassen, zwang ein Sturm die Discovery mit dem Bug voran auf eine Untiefe. Einige Stunden lang, »wirklich die furchtbarsten, die ich je verbracht habe«, wie Scott schrieb, sah es aus, als würde sie es nicht überstehen. Die Maschinen fielen aus; das Schiff war dem Sturm ausgeliefert und klatschte gegen die Untiefe. Doch im Laufe des Abends kehrte die Strömung zurück, die eher nach Süden als nach Norden verlief, und die Discovery begann, achteraus zu laufen. Der Mannschaft gelang es, die

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