In den Fängen der Macht
waren die Waffen tatsächlich da und bereits in einen Waggon verladen. Lyman ließ mich nie für länger als ein paar Augenblicke allein, und das erst, als die Waffen übergeben wurden und er Mr. Shearer bezahlte. Er hatte eine schriftliche Bestätigung, dass er autorisiert war, das Geld an meines Vaters Stelle in Empfang zu nehmen, und so hatte alles seine Ordnung. Ich… ich war so glücklich, dass mein Vater letztendlich die Gerechtigkeit der Sache eingesehen hatte, für die Lyman kämpfte, und seine Meinung geändert hatte.«
»Aber Sie haben nicht daran gedacht, nach Hause zurückzukehren und ihm das zu sagen?«
Ihre Augen bekamen einen kummervollen Ausdruck.
»Nein«, beeilte sie sich zu sagen. »Ich liebte Lyman und wollte mit ihm nach Amerika reisen. Ich… ich war immer noch ärgerlich auf meinen Vater, weil er so lange gebraucht hatte, einzusehen, was mir von Anfang an klar war. Sklaverei ist ein schreckliches Übel. Ein menschliches Wesen wie einen Besitz zu behandeln kann niemals richtig sein.«
Oliver wusste nicht, was er denken sollte. Die Geschichte ergab keinen Sinn, und gleichwohl hatte er nicht den Eindruck, dass sie log. Sie glaubte, was sie sagte. Hatte Breeland sie irgendwie betrogen? Wenn er Alberton nicht ermordet hatte, hatte er jemanden dazu angestiftet? Diesen Shearer etwa? »Erzählen Sie mir von der Fahrt nach Liverpool und was sich dort zutrug«, forderte er sie auf.
»Warum sollte das wichtig sein?« Sie war verwundert.
»Bitte erzählen Sie«, insistierte er.
»Gut. Lyman begleitete mich zu einem Abteil, in dem ich einigermaßen behaglich sitzen konnte, und sagte, ich solle dort auf ihn warten, bis er mit dem Schaffner gesprochen hatte. Nach etwa zehn Minuten kam er zurück, und kurz danach fuhr der Zug los.«
»Wer war außer Ihnen noch in dem Waggon?«, unterbrach er sie.
»Was tut das zur Sache? Niemand, den ich kannte. Ich habe mit niemandem gesprochen. Ein alter Mann mit einem mächtigen Backenbart. Eine Frau mit einem scheußlichen Hut, bestimmt der hässlichste, den ich je gesehen habe, braun und rot! Warum kombiniert jemand nur Braun und Rot? Ansonsten kann ich mich an niemanden erinnern. Es ist alles unwichtig.«
»Wo hielt der Zug an?«, drängte er.
Gehorsam beschrieb sie die Reise in all ihren eintönigen Details.
Er notierte sich ihre Antworten in hastigen, kaum leserlichen Schriftzügen.
»Und in Liverpool?«
Sie berichtete ihm von Breelands Schwierigkeiten, die Waffen vorübergehend irgendwo zu lagern und Passagen auf einem Schiff zu buchen, das über Queenstown in Irland nach New York fuhr. Mit jedem Detail wurden die Bilder realer, und er war immer mehr davon überzeugt, dass sie ihre Geschichte aus eigener Erfahrung schilderte, nicht aus purer Vorstellungsgabe.
»Ich danke Ihnen«, sagte er schließlich. »Sie waren sehr geduldig, Miss Alberton, und Sie haben mir sehr geholfen, eine Verteidigung für Sie aufzubauen.«
»Ich erlaube Ihnen nicht, mich auf Lymans Kosten zu verteidigen!«, rief sie schnell und beugte sich mit gerötetem Gesicht über den Tisch. »Bitte verstehen Sie das! Ich werde Sie ablehnen, oder was immer auch nötig sein wird, wenn…«
»Das habe ich bereits verstanden, als Sie es mir zum ersten Mal mitteilten, Miss Alberton«, erwiderte er gleichmütig. »Ich werde dies nicht tun. Sie haben mein Wort darauf. Ich kann Ihnen jedoch nicht versprechen, was das Gericht tun wird, und ich konnte noch niemals jemandem versprechen, was die Geschworenen tun werden. Aber für mich selbst kann ich sagen, dass ich zu meinem Versprechen stehe.«
Sie lehnte sich zurück. »Ich danke Ihnen, Sir Oliver. Ich bin sehr dankbar, dass Sie sich für mich und… einsetzen und tun, was Sie können.«
Er erhob sich und empfand plötzlich heftiges Mitleid mit ihr.
Sie war so jung, fast noch ein Kind, und sie versuchte, sich wie eine erwachsene Frau zu benehmen und ihre Würde zu bewahren. Er wünschte sich sehnlichst, sie trösten zu können oder dass entweder ihre Mutter oder ihr Vater, oder sogar Breeland, dieser verdammte Kerl, zu ihr kommen könnten. Doch alles, was er tun konnte, um ihr zu helfen, war, die Förmlichkeit zu wahren und die entschlossene Selbstkontrolle zu unterstützen, auf die sie sich so sehr verließ.
»Ich werde wiederkommen und Ihnen mitteilen, wie ich vorankomme«, sagte er vorsichtig. »Sollten Sie mich einige Tage lang nicht zu sehen bekommen, dann deshalb, weil ich meine Bemühung in Ihrer Sache voranzutreiben versuche. Guten
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