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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Tag, Miss Alberton.« Ein wenig hastig wandte er sich um und vermied es, in ihre Augen zu blicken, aus denen nun die Tränen quollen.
    Sowohl aus Neugier als auch aus Pflichtgefühl drängte es Rathbone, Lyman Breeland aufzusuchen. Dies war jedoch keine Aufgabe, von der er erwartete, sie würde einfach oder gar angenehm sein.
    Er wurde in einen Raum geführt, der dem in der Frauenabteilung des Gefängnisses glich und die gleichen gekalkten Wände, den gleichen einfachen Tisch und zwei hölzerne Stühle aufwies.
    In mancherlei Hinsicht war Breeland genau so, wie Rathbone es erwartet hatte. Er war groß und hager und hatte einen athletischen, an körperliche Ertüchtigung gewöhnten Körper. Man hätte ihn als einen Mann der Tat eingeschätzt. »Militär« war das Erste, was einem wegen seiner strammen Haltung und eines gewissen Stolzes, den er sogar unter diesen niederschmetternden Umständen nicht abgelegt hatte, in den Sinn kam. Er war mit einem einfachen Hemd und einer Hose bekleidet, die ihm einen oder zwei Fingerbreit zu kurz war. Vermutlich war sie geliehen. Er hatte das Schlachtfeld bei Manassas sicherlich mit schmutziger und blutbefleckter Uniform verlassen.
    Aber Breelands Gesicht überraschte Rathbone. Ohne sich dies bewusst gemacht zu haben, hatte er sich eine Meinung gebildet und einen Mann zu sehen erwartet, in dessen Gesicht sich Leidenschaften ablesen lassen würden, Eifer und Loyalität sowie ein Wille, der sich über sämtliche Hindernisse, über Schmerz und schroffe Abweisung hinwegsetzen würde. Vielleicht hatte er sich unbewusst jemanden wie Monk vorgestellt.
    Stattdessen sah er sich einem gut aussehenden Mann gegenüber, der auf andere Weise unzugänglich wirkte. Sein Gesicht war glatt, seine Züge vollkommen ebenmäßig, aber etwas darin schien völlig unnahbar zu sein. Vielleicht hatte es noch zu wenig Falten, als ob seine Emotionen zwar alle vorhanden, aber noch unter der glatten Oberfläche begraben wären.
    »Guten Tag, Mr. Breeland«, begann er. »Mein Name ist Oliver Rathbone. Mrs. Alberton engagierte mich, um ihre Tochter zu verteidigen, und ich wage zu behaupten, Sie werden es begrüßen, dass es nötig sein wird, Merrit Albertons und Ihre Verteidigung entweder in die Hand eines Mannes oder in die Hände zweier Männer zu legen, die als eine Person fungieren.«
    »Selbstverständlich«, stimmte Breeland zu. »Keiner von uns beiden ist schuldig. Außerdem waren wir die ganze Zeit über in gegenseitiger Gesellschaft, als das Verbrechen begangen wurde. Sicherlich wurden Sie darüber bereits informiert.«
    »Ich sprach mit Miss Alberton. Dennoch möchte ich hören, was Sie in eigener Sache darüber zu sagen haben, wenn Sie wünschen, dass ich mich auch für Sie verwende, oder was Sie zugunsten von Miss Alberton vorbringen können, sollten Sie es vorziehen, sich von jemand anderem vertreten zu lassen.«
    Kein Lächeln flog über Breelands Gesicht. »Ich hörte, Sie seien der Beste, und es scheint mir vernünftig zu sein, uns von einer Person verteidigen zu lassen. Da Sie offenbar bereit dazu sind, nehme ich das Angebot an. Ich verfüge über genügend Mittel, wie hoch Ihre Forderungen auch sein mögen.«
    Er drückte sich sonderbar distanziert aus, als ob Rathbone sich aufdringlich um ein Geschäft beworben hätte. Er war unter Androhung von Gewalt in ein fremdes Land zurückgebracht worden, um für ein Verbrechen vor Gericht gestellt zu werden, für das er gehängt werden würde, wenn er schuldig gesprochen wurde. Er würde von einem Fremden verteidigt werden, dem er vertrauen musste, ohne die Möglichkeit zu haben, ihn einer Prüfung zu unterziehen. Jeder Mann, der kein Narr war, würde sich zunächst abwartend verhalten und verärgert oder ängstlich reagieren.
    Rathbone beschloss, keinen Versuch zu machen, eine persönliche Beziehung herzustellen. Zunächst wollte er ganz formell die Fakten feststellen.
    »Gut«, sagte er gnädig. »Wenn Sie vielleicht Platz nehmen wollen, dann könnten wir damit beginnen, die Details unserer Strategie zu besprechen.«
    Breeland setzte sich gehorsam. Er bewegte sich geschmeidig, ja sogar mit Grazie, lediglich eine Schulter schien etwas ungelenk zu sein.
    Rathbone setzte sich ihm gegenüber. »Würden Sie damit beginnen, wie Sie Daniel Alberton kennen gelernt haben.«
    »Ich hörte seinen Namen im Metier der Waffenhändler«, antwortete Breeland. »Er ist bekannt, er genießt Vertrauen, und er konnte qualitativ hochwertige Waffen liefern, und das auch noch

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