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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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welch schöne Frau sie war.
    »Ich werde Sie auf dem Laufenden halten«, versprach er. Es war nicht ganz die Antwort, die sie erbeten hatte, aber es war alles, was er versprechen konnte. Als der Diener ihn an die Tür brachte, fragte er sich, wie sehr er dieses Versprechen wohl bereuen mochte. Er konnte sich keinen Ausgang dieses Falles vorstellen, der nicht tiefes und schreckliches Leid verursachen würde, und es schien keine Antworten zu geben, die Judith Albertons schmerzlichen Verlust nicht noch gesteigert hätten.
    Oliver Rathbone hatte keine Schwierigkeiten, die Erlaubnis zu einem Gespräch mit Merrit zu erhalten. Er stand in dem kleinen kargen Raum im Gefängnis, in dem sie vor der Verhandlung festgehalten wurde. Die steinernen Wände waren gekalkt, der Fußboden bestand aus Steinquadern. Die Scharniere der Eisentür waren tief in den Türrahmen eingebettet, auf der anderen Seite biss das Schloss tief hinein, als ob sich ein verzweifelter Mensch in dem blinden Versuch zu fliehen, dagegenwerfen könnte.
    Es gab einen Tisch, an dem er sitzen und vielleicht schreiben konnte, doch es gab kein Tintenfass. Ein Bleistift würde genügen müssen. Ein zweiter Stuhl war für den Angeklagten gedacht.
    Als sie eintrat, war er erneut überrascht. Er hatte eine mädchenhafte, wütende, verängstigte Person erwartet, die höchstwahrscheinlich wenig geneigt war, mit ihm zusammenzuarbeiten. Stattdessen erblickte er eine junge Frau, die niemals mit der Schönheit ihrer Mutter würde konkurrieren können, die aber dennoch über Spuren von Liebreiz und Würde verfügte, obwohl sie ganz offensichtlich erschöpft war und sich das Haar, das am Hinterkopf zusammengefasst und mit Nadeln befestigt war, anscheinend ohne Zuhilfenahme eines Spiegels frisiert hatte. Da sie noch keines Verbrechens überführt war, trug sie noch ihre eigenen Kleider. Es war ein blaues Musselinkleid mit weißem Kragen, der die Blässe ihrer Haut betonte. Es war sauber und frisch. Ihre Mutter musste es ihr geschickt haben.
    »Die Aufseherin sagte, Sie wären Sir Oliver Rathbone und Sie würden mich verteidigen«, sagte sie sehr leise.
    »Ich nehme an, meine Mutter hat Sie beauftragt.« Es klang nicht nach einer Frage. Sie wussten beide, dass es keine andere Erklärung gab.
    Er setzte zu einer Erwiderung an, aber sie unterbrach ihn. »Ich hatte keinen Anteil am Mord meines Vaters, Sir Oliver.« Ihre Stimme zitterte kaum merklich. »Aber ich werde Ihnen nicht erlauben, mich zu benutzen, um die Schuld auf Mr. Breeland abzuwälzen.« Als sie seinen Namen aussprach, hob sie leicht das Kinn, und ihre Mundwinkel wurden weich.
    »Vielleicht erzählen Sie mir, was Sie wissen, Miss Alberton«, erwiderte er, wobei er auf den Stuhl ihm gegenüber deutete, damit sie Platz nahm.
    »Nur unter der Voraussetzung, dass ich nicht manipuliert werde«, antwortete sie. Sie stand sehr gefasst vor ihm und wartete auf seine Antwort, bevor sie sich auch nur bereit erklärte, ihm zuzuhören.
    Plötzlich wurde ihm bewusst, wie jung sie noch war. Ihre Loyalität war blind, vollkommen und vielleicht das Wertvollste, was ihr eigen war. Er konnte sich vorstellen, dass sie sich über diese Eigenschaft definierte, über die Fähigkeit, jemanden absolut zu lieben. Er konnte sich selbst kaum an solch tief empfundene Leidenschaft erinnern. Doch er hoffte, einst selbst so glühend, so achtlos sich selbst gegenüber gewesen zu sein und die Liebe über alles gesetzt zu haben.
    Doch Zeit und Erfahrung hatten das geändert… zu sehr. Hätte er vielleicht nicht solch große Angst gehabt, so heftig zu lieben, hätte er möglicherweise Hester nicht verloren. Aber dies waren sinnlose Gedanken, die zu schmerzlich waren, um sich ihnen, wenn auch nur flüchtig, hinzugeben.
    »Ich habe keinerlei Absicht, Sie zu manipulieren«, entgegnete er mit einer Leidenschaft, die ihn selbst überraschte. »Ich möchte die Wahrheit erfahren, oder wenigstens so viel davon, wie Sie mir darüber berichten können. Beginnen Sie bitte mit den einfachen Tatsachen. Später können wir uns dann mit Schlussfolgerungen und Meinungen beschäftigen. Vielleicht möchten Sie mit dem Todestag Ihres Vaters beginnen, außer Sie haben das Gefühl, dass frühere Ereignisse relevant sein könnten.«
    Sie setzte sich folgsam und sammelte sich, wobei sie die Hände faltete.
    »Mr. Breeland und Mr. Trace wollten beide die Waffen erwerben, die mein Vater zu verkaufen hatte. Jeder natürlich für seine Seite in Amerikas Bürgerkrieg. Mr. Trace

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