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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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nur, seine Frau zu werden und auf ihn zu warten, ihn zu unterstützen und alles zu tun, um im Kampf gegen die Sklaverei behilflich zu sein. Ich stellte mir keinen Augenblick lang vor, einfach nur in ein friedvolles neues Leben an einem anderen Ort der Welt zu segeln.«
    Rathbone glaubte ihr. Ihr Ernst war offenkundig, und er meinte, den Anflug von Enttäuschung in ihrer Stimme zu vernehmen, über den sie wohl selbst überrascht war. Irgendetwas belastete sie, aber bis jetzt hatte er keine Ahnung, was es war.
    »Bitte fahren Sie fort«, sagte er. »Erzählen Sie mir genau, was passierte. Ließ Breeland Sie an jenem Abend je allein?«
    »Nicht länger als ein paar Augenblicke«, erwiderte sie.
    »Er verließ seine Wohnung nicht. Es war fast Mitternacht, und wir sprachen immer noch davon, was wir unternehmen sollten.« Der Ausdruck von Stolz und Zärtlichkeit trat einen Moment lang in ihre Augen. »Er war um meinen Ruf besorgt, mehr als ich selbst es war. Wenn ich die Nacht in seinem Wohnzimmer geschlafen hätte, hätte niemand in Amerika es erfahren, und allein das war mir wichtig. Dennoch sorgte er sich um mich, und das belastete ihn.«
    Rathbone wusste besser als sie, wie schnell sich Gerüchte verbreiteten, und der Gedanke ging ihm durch den Kopf, inwieweit Breelands Sorge um ihren Ruf darin begründet war, weil er ihn als ihren künftigen Ehemann betreffen könnte. Doch dies war eine unbarmherzige Regung, und er sprach sie nicht laut aus.
    Sie schluckte. Trotz ihres Versuches, Ruhe zu bewahren, und ihres unzweifelhaften Mutes, war der Preis hoch, den sie zahlte.
    »Kurz vor Mitternacht kam ein Junge mit einer Depesche für Lyman. Es war eine Nachricht. Er riss sie auf und las sie. Sie besagte, dass mein Vater seinen Entschluss bezüglich des Verkaufs der Waffen geändert habe, dies aber aus offenkundigen Gründen vor Mr. Trace nicht habe äußern können. Er würde Trace das Geld später zurückbezahlen, und er erklärte, Lymans Argumente über die Sklavenhaltung hätten ihn schließlich überzeugt, so dass er den Konföderierten die Waffen nicht mehr guten Gewissens verkaufen konnte. Lyman sollte zum Bahnhof am Euston Square kommen, wo ihm die Gewehre übergeben werden sollten. Liverpool wäre der beste Hafen, um sie auf ein Schiff nach Amerika zu verladen.« Sie beobachtete ihn eindringlich, schien ihn förmlich zwingen zu wollen, ihr Glauben zu schenken.
    Er erkannte, dass sie mit größter Wahrscheinlichkeit Breelands Worte für die Erklärung benutzt hatte, aber er unterbrach sie nicht.
    »Und das tat er auch«, fuhr sie fort. »Wir begannen sofort zu packen, nahmen jedoch nur mit, was für ihn von größter Wichtigkeit war. Selbst dafür blieb kaum Zeit. Aber die Waffen waren das Allerwichtigste. Sie waren schließlich Teil des Kampfes für die Freiheit und für eine Sache, die stets Priorität haben sollte über materielle Besitztümer.«
    »Sie halfen ihm beim Packen?«
    »Natürlich. Ich hatte selbst nur wenig bei mir.« Wieder huschte ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. Sie musste wohl an ihren eigenen hastigen Aufbruch im Namen der Liebe und des Prinzips denken, der ihr lediglich erlaubt hatte, nur das mitzunehmen, was sie in eine kleine Tasche stopfen und in der Hand tragen konnte. Oliver versuchte sich vorzustellen, welche lieb gewordenen Wertgegenstände sie in ihrem kurzen Leben gesammelt haben mochte, die sie hatte zurücklassen müssen. Offensichtlich hatte sie dies ohne größeres Bedauern getan. Er dachte, wie tief, wie selbstlos sie Breeland lieben musste. Es schmerzte ihn überraschend heftig, zu denken, dass dieser sich ihrer Liebe vielleicht vollkommen unwürdig erweisen mochte. Als er das Wort ergriff, klang seine Stimme ärgerlicher, als er es beabsichtigt hatte.
    »Und von wem stammte die Nachricht? Ich nehme an, sie trug eine Unterschrift.«
    »Ja, natürlich«, erwiderte sie entrüstet. »Er hätte wohl kaum gehandelt und alles zurückgelassen, hätte er nicht gewusst, wer sie geschickt hatte.«
    »Und wer war das?«
    Die Farbe ihrer Wangen wurde kräftiger, und einen Moment lang war sie verwirrt, als sie erkannte, wie viel von der Wahrheit ihrer Antwort abhing und sie diese vielleicht gar nicht völlig kannte.
    »Sie war von Mr. Shearer unterzeichnet«, sagte sie kämpferisch. »Natürlich… jetzt, im Licht der Morde…« Sie schluckte. Scheinbar konnte sie in diesem Zusammenhang den Namen ihres Vater nicht erwähnen. Ihr Kinn fuhr hoch. »Aber als wir an den Euston Square kamen,

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