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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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zusammenzuspleißen. Seine rauhen Finger arbeiteten flink, gekonnt flocht und zog er mit dem eisernen Haken, was auf eine Art ebenso wunderschön anzusehen war wie bei einer Frau, die Spitze klöppelte. Monk hatte seine Freude daran, zuzusehen. Es weckte schwache Erinnerungen an eine ferne Vergangenheit, an eine Kindheit an nördlichen Stranden, den Geruch von Salz und die Melodie der Stimmen in Northumbria, an eine Zeit, aus der ihm kaum Erinnerungen geblieben waren, außer den hellen Flecken, die das Sonnenlicht auf eine düstere Landschaft warf.
    »Ein großer Schleppkahn«, sagte der Fährmann nachdenklich.
    »Ja, ich erinnere mich an die Morde in der Tooley Street. Schlimme Sache, das. Schade, dass sie den nicht erwischt haben, der das getan hat. Aber Gewehre mag ich auch nicht. Die sind für Soldaten und Armeen und so was. Anderswo bringen sie nur Schwierigkeiten.«
    »Diejenigen, die für die Armee der Union bestimmt waren, scheinen mit dem Zug nach Liverpool transportiert worden zu sein«, erwiderte Monk, obwohl das jetzt nicht mehr von Belang war, schon gar nicht für den Fährmann.
    »Hm.« Der Mann flocht das aufgezwirbelte Ende des Seils in das andere Ende, dann nahm er ein Messer und schnitt die letzten Fasern ab. »Vielleicht.«
    »Nein, ganz bestimmt«, versicherte Monk ihm.
    »Haben Sie’s gesehen?« Der Fährmann zog die Brauen hoch.
    »Nein… aber sie sind angekommen… in Washington, meine ich.«
    Der Fährmann gab keinen Kommentar ab.
    »Aber es gab noch andere Waffen«, fuhr Monk fort und kniff die Augen zusammen, um sich vor dem Sonnenlicht, das der Fluss reflektierte, zu schützen. Sie befanden sich direkt gegenüber des graubraunen Streifens von Bugsby’s Marshes und der Flussbiegung von Blackwall Point, hinter die man nicht sehen konnte. »Irgendetwas muss mit dem Kahn den Fluss hinuntertransportiert worden sein. Was ich nicht weiß, ist, wohin diese Kisten verschwanden und wohin dieser Kahn fuhr, nachdem er entladen worden war.«
    »Hier wird eine Menge illegales Zeug hin und her geschippert«, meinte der Mann. »Meistens kleines Zeug und weiter unten bei Estuary, vor allem hinter Woolwich Arsenal und den Docks auf dieser Flussseite. Unten bei Gallion’s Reach oder Barking Way und weiter.«
    »In dieser Zeit hätte der Kahn nicht so weit fahren können«, erwiderte Monk.
    »Vielleicht hat er ja irgendwo gewartet?« Der Fährmann beendete seine Arbeit und prüfte sie eingehend. Offenbar war er zufrieden, denn er legte das Seil beiseite und steckte Messer und Haken ein. »Bei Margaret Ness oder Cross Ness vielleicht?«
    »Gibt es eine Möglichkeit, das herauszufinden?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Sie könnten es ja versuchen und fragen, wenn Sie dort jemanden finden. Wollen Sie hinfahren?«
    Monk blieb nichts anderes übrig, als es zu versuchen. Er nahm das Angebot an, kletterte in das Boot und ließ sich im Heck nieder.
    Draußen auf dem Wasser war die Luft kühler, und die schwache Brise über der hereinbrechenden Flut trug den Geruch von Salz, Fisch und lehmigen Ufern mit sich.
    »Fahren Sie in Richtung Blackwall Point hinunter«, sagte Monk. »Glauben Sie, dort gibt es genügend Deckung für ein seegängiges Schiff, eines, das groß genug ist, um über den Atlantik zu segeln?«
    »Hm, das ist eine gute Frage«, meinte der Fährmann nachdenklich. »Hängt davon ab, wo.«
    »Warum? Welchen Unterschied macht das?«, fragte Monk.
    »Na, an manchen Stellen würde ein Schiff herausragen wie ein wunder Daumen. Sogar aus einer Meile Entfernung würden die Masten klar zu sehen sein. Aber an anderen Stellen, dort zum Beispiel, wo das alte Wrack liegt, wer würde da schon einen oder zwei weitere Masten bemerken? Wenigstens nicht für eine Weile.«
    Monk beugte sich begierig nach vorn. »Dann fahren Sie doch an all diesen Stellen vorbei. Dann sehen wir, wie die Strömung verläuft und wo ein Schiff liegen könnte«, drängte er.
    Der Fährmann gehorchte, legte sich mit seinem ganzen Gewicht in die Ruder und tauchte sie tief ins Wasser.
    »Nicht, dass das was beweisen würde«, warnte er. »Außer natürlich, Sie finden jemanden, der was gesehen hat. Ist schon ’ne Weile her. Müssen schon zwei Monate oder noch mehr sein.«
    »Ich werde es versuchen«, beharrte Monk.
    »Na gut.« Der Fährmann legte sich mit aller Kraft in die Ruder, und allmählich wurden sie schneller, obwohl sie sich gegen die Strömung bewegten. Sie fuhren um die weite Biegung am Blackwall Reach bis zur Landspitze. Monk

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