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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Bilder von ihm oben. Habe sie für Zeiten aufgehoben, in denen sie als das gewürdigt werden, was sie wirklich sind.«
    Monk konnte seinen Unmut kaum mehr im Zaum halten. Er hustete und hob die Hand vors Gesicht, um den Abscheu zu verbergen, den er vor dem Mann verspürte, der so leichtfertig über einen Jungen sprechen konnte, den er gekannt und benutzt hatte und von dem er wissen musste, dass er mittlerweile tot war.
    »Verzeihen Sie«, bat er und fuhr fort. »Ich würde sie wirklich zu gerne sehen.«
    Fitz-Alan strebte bereits auf die Tür zu und führte ihn durch den hinteren Teil der Eingangshalle, vorbei an einem nackten Adonis aus Marmor und die Treppe hinauf in einen größeren Raum, der offenbar als Lager genutzt wurde. Ohne zu zögern ging er auf zwei Leinwände zu, die von anderen, neueren Werken verborgen waren, und drehte sie herum, damit Monk sie sehen und bewundern konnte.
    Und so sehr es ihn auch erbitterte, er bewunderte sie wirklich. Sie waren brillant. Das Gesicht, das ihn in farbigen Ölfarben anstarrte, war voller Leidenschaft, sensibel und bereits von einer Vision überschattet, die jenseits der prosaischen Bedürfnisse des Lebens lag. Vielleicht wusste er sogar zu der Zeit schon, dass er schwindsüchtig war und ihm nicht viel Zeit bleiben würde, um die Freuden auszukosten oder den Gram zu erleben, den er damals bereits kannte. Waren die Freuden vielleicht aus dem Grund umso süßer, umso quälender gewesen? Fitz-Alan hatte all das Wertvolle, das Flüchtige in den Augen, den Lippen und der fast durchscheinenden Haut eingefangen. Es war ein aufwühlendes Gemälde. Durch Monks Gehirn blitzte der Gedanke, das Bildnis von Alberton als Preis für seine Bemühungen zu erbitten. Es schmerzte ihn, zu wissen, dass er es nach diesen wenigen Augenblicken nie mehr zu Gesicht bekommen würde. Es war eine Erinnerung an die Süße des Lebens, eine Mahnung, nicht einen Moment, den es einem schenkte, zu missachten und zu verschwenden.
    »Es gefällt Ihnen«, sagte FitzAlan überflüssigerweise. Monk hätte es nicht leugnen können. Welche Sünden auch auf der Seele seines Malers lasteten, das Gemälde war umwerfend. Er erinnerte sich an den Zweck seines Besuches. »Wer ist er?« Die Frage war nicht schwer zu stellen. Es schien die natürlichste Sache zu sein, danach zu fragen.
    »Nur ein Vagabund«, erwiderte FitzAlan. »Ein junger Mann, den ich in den Straßen entdeckte und eine Weile bei mir aufnahm. Wundervolles Gesicht, nicht wahr?«
    Monk wandte sich von dem Maler ab, um seine eigenen Gefühle zu verbergen. Er konnte es sich nicht leisten, seine Abneigung zu zeigen.
    »Wahrhaftig. Was wurde aus ihm?«
    »Keine Ahnung«, sagte Fitz-Alan leicht verwundert.
    »Niemand anderes wird ihn so malen, das versichere ich Ihnen. Er war schwindsüchtig. Dieses Aussehen wird er nun nicht mehr haben. Das ist es, was so wertvoll ist, der Augenblick! Das Wissen um die Sterblichkeit. Sie ist universal, die Wahrnehmung vom Leben und vom Tod. Es kostet einhundertfünfzig Guineen. Sagen Sie das Ihrem Freund.«
    Das war die Hälfte des Preises, den man für ein gutes Haus bezahlte! Fitz-Alan unterschätzte den Wert seiner Arbeit gewiss nicht. Dennoch ertappte sich Monk bei der blitzartigen Überlegung, wie er dieses Gemälde erwerben könnte. Niemals würde er so viel Geld besitzen, um es für derlei Dinge ausgeben zu können. Vermutlich würde er überhaupt niemals im Besitz einer solchen Menge Geldes sein. Vielleicht könnte er den Preis ja herunterhandeln, aber bestimmt nicht so weit, dass er seinen finanziellen Möglichkeiten entsprach. Gab es eine Chance, mit ihm ein Geschäft zu machen? Er hätte Fitz-Alan zu gerne gezwungen und Druck auf ihn ausgeübt, bis diesen etwas so stark gequält hätte, um sich glücklich zu schätzen, das Bild im Austausch für Linderung zu verschenken.
    »Ich werde es ihm berichten«, sagte er zwischen zusammengebissen Zähnen. »Ich danke Ihnen.«
    Den Rest des Tages so wie die beiden folgenden verbrachte Monk damit, Gilmers raschem Abstieg von einem Künstler zum anderen nachzuspüren, von denen einer über weniger Talent verfügte als der vorhergehende, bis Gilmer schließlich mittellos war und auf der Straße endete. In jedem Fall schien er Streit gehabt zu haben und voller Zorn gegangen zu sein. Niemand hatte ihm einen guten Wunsch mit auf den Weg gegeben oder ihm Hilfe angeboten. Am Ende, etwa Mitte des letzten Sommers, war er von dem Besitzer des Männerbordells aufgenommen

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