In den Fängen der Macht
unglücklicherweise halte ich mich nur kurz in London auf, bevor ich für einen oder zwei Monate nach Rom zurückkehre.«
Neugierig sah sie ihn an. Mit seinem dunklen Haar und dem schmalen Gesicht entsprach er ihrem Ideal eines geheimnisvollen Italieners. Sie führte ihn in eine reich verzierte Halle, in der einige wertvolle Statuen standen, dann ging sie, um ihren Herrn von dem Besucher zu unterrichten.
Fitz-Alan war ein extravaganter Mann mit einer hohen Meinung von seinem eigenen Talent, über das er, wie Monk mit einem Blick auf die Leinwände in seinem Studio feststellte, auch verfügte. Fünf Leinwände waren an verschiedenen Stellen aufgestellt, aufgehängt oder aneinander gereiht, so dass sie bestens zur Schau angeboten wurden, obwohl sie dem oberflächlichen Betrachter so erscheinen mussten, als seien sie ohne große Umsicht arrangiert worden. Die Linienführung war exzellent, das Licht und Schattenspiel dramatisch und die Gesichter atemberaubend. Ohne dies zu wollen, ertappte Monk sich dabei, dass sein Blick auf den Bildern ruhte anstatt auf Fitz-Alan. »Sie sind Kunstliebhaber!«, rief Fitz-Alan voller Befriedigung.
Monk konnte sich gut vorstellen, dass er diese Szene bei jedem Besucher spielte, stets die leichte Überraschung in der Stimme, als ob die Welt von Philistern bevölkert sei.
Monk zwang sich, Fitz-Alans Blick zu erwidern. Der Künstler war kein großer, aber ein stattlicher Mann, breitschultrig, in den Fünfzigern und allmählich zu einem Wanst neigend. Sein ingwerfarbenes Haar war farbloser geworden, aber noch füllig, und er trug es in einer Länge, die geziert wirkte. Er hatte ein stolzes Gesicht mit markanten Zügen, die Zügellosigkeit verrieten.
Es wurmte Monk, dem Mann zu schmeicheln, aber es war notwendig, wenn er sich lange genug hier aufhalten wollte, um das herauszufinden, was er wissen wollte.
»Ja. Ich entschuldige mich für meine Unhöflichkeit, aber meine Augen konnten nicht von Ihren Gemälden lassen, wenngleich ich beabsichtigte, taktvoll zu sein. Vergeben Sie mir.«
Fitz-Alan war geschmeichelt. »Es ist Ihnen vergeben, mein lieber Herr«, sagte er überschwänglich. »Sie wünschen ein Portrait Ihrer Gattin?«
»Eigentlich sogar noch mehr als das. Einer meiner Freunde bekam ein bemerkenswertes Portrait eines jungen Mannes zu sehen, das von Ihrer Hand stammt«, erwiderte Monk und zwang sich zu einem entwaffnenden Lächeln.
»Aber er konnte es nicht erwerben, weil der Besitzer, was nur zu verständlich ist, es nicht veräußern wollte. Ich fragte mich also, ob Sie noch weitere Bilder dieses Modells besitzen, von denen ich ihm berichten könnte. Er ist äußerst erpicht darauf, eines davon zu seinem Besitz zählen zu dürfen. Tatsächlich ist es fast schon wie eine Obsession bei ihm.«
Fitz-Alan schien angemessen geschmeichelt. Er versuchte, es zu verbergen, aber Monk nahm an, sein Hunger nach Lob sei weit davon entfernt, gestillt zu sein, obgleich er bereits hohes Ansehen genoss.
»Ah!«, rief er und verharrte bewegungslos, als ob er intensiv nachdenken würde. Nur das Leuchten seiner Augen und ein kaum merkliches Lächeln verrieten ihn.
»Lassen Sie mich nachdenken. Ich bin nicht sicher, welcher junge Mann das sein könnte. Ich male jeden, dessen Gesicht mich fasziniert, egal, um wen es sich handelt.« Er beobachtete Monks Reaktion. »Ich kann mir nicht vorwerfen, schöne Bilder zu malen, um berühmte Männer besser aussehen zu lassen, als sie dies in Wirklichkeit tun«, sagte er mit Stolz in der Stimme. »Die Kunst ist mein Meister… nicht Ruhm oder Geld oder die Zuneigung anderer. Die Nachwelt wird es nicht kümmern, wer das Modell war, sie wird es lediglich interessieren, wie es auf der Leinwand wirkt, welcher Dialog sich zwischen seiner Seele und dem Menschen noch Jahrzehnte später – Jahrhunderte, vielleicht – entspinnt.«
Monk pflichtete ihm bei. Die Empfindung war aufrichtig, dennoch ärgerte sie ihn.
»Selbstverständlich. Das ist es, was den Künstler vom Handwerksgesellen unterscheidet.«
»Können Sie das Modell beschreiben?«, fragte Fitz-Alan und aalte sich in der Anerkennung.
»Es war blondhaarig, schmalgesichtig und hatte einen vergeistigten Gesichtsausdruck, fast gequält«, antwortete Monk und versuchte sich vorzustellen, wie Gilmer in seiner frühesten Zeit als Modell ausgesehen haben mochte, bevor sich seine Gesundheit zu verschlechtern begann.
»Ah!«, rief Fitz-Alan eilig. »Ich denke, ich weiß, wen Sie meinen. Ich habe ein paar
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