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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Lastwagen, wahrscheinlich waren es sogar vier, irgendwann nach Einbruch der Dunkelheit hereingefahren, vermutlich passierte es gegen Mitternacht, hatte die Nachtwächter und Alberton umgebracht und die Waffen gestohlen. Einer von ihnen war Lyman Breeland gewesen, der während der physischen Anstrengung, die mit dem Verladen der Gewehrkisten einherging, seine Uhr verloren hatte. Auch war denkbar, dass er sie während einer anderen Anstrengung, einem Kampf mit seinen eigenen Männern, mit den Wächtern oder gar mit Alberton verloren hatte. Doch die unterschiedlichen Möglichkeiten änderten nichts an den Fakten, die zählten. Daniel Alberton war tot, die Waffen ebenso verschwunden wie Breeland, und es sah so aus, als wäre Merrit mit ihm gegangen, ob sie nun eine Ahnung von seinen Plänen gehabt hatte oder nicht. Ob sie freiwillig oder als Geisel bei ihm war, konnte man nicht feststellen.
    Monk hörte Wagenräder draußen auf der Straße, woraufhin sich die Tore öffneten. Ein sehr großer magerer Polizist kam herein, seine Gliedmaßen schienen an seinem Körper zu baumeln, sein Gesichtsausdruck war neugierig und traurig zugleich. Sein Gesicht war schmal und sah aus, als ob es von Natur aus eher zum Komödiantischen als zu diesen totenstarr daliegenden Leichen vor seinen Augen neigte. Ihm folgte ein älterer, korpulenter Constable, hinter dem ein aschfahler Casbolt schlich, der vor Kälte schlotterte, obwohl es nun bereits heller Tag und die Luft mild war.
    »Mein Name ist Lanyon«, stellte sich der Polizist vor. Interessiert musterte er Monk von oben bis unten. »Sie fanden die Leichen, Sir? Zusammen mit Mr. Casbolt…?«
    »Ja. Wir hatten Grund zu der Annahme, dass etwas im Argen lag«, erklärte Monk. »Mrs. Alberton schickte nach Mr. Casbolt, weil ihr Gatte sowie ihre Tochter nicht nach Hause zurückgekehrt waren.« Monk war mit der Prozedur vertraut, was die Polizei wissen musste und weshalb. Er war selbst oft genug in ähnlichen Situationen gewesen, in denen er versucht hatte, schockierten Hinterbliebenen wichtige Fakten zu entlocken und Wahrheit und Emotionen, voreilige Schlüsse, fadenscheinige Beobachtungen, Verwirrung und Angst auseinander zu sortieren. Und er kannte die Schwierigkeiten von Zeugen, die zu viel sagten, den Schock, der das Bedürfnis weckt, sich mitzuteilen, zu versuchen, alles, was man gesehen oder gehört hatte, zu vermitteln, einen Sinn darin zu sehen, lange bevor dieser erwiesen ist, und Worte als Brücke zu nutzen, einfach um nicht im Grauen zu ertrinken.
    »Verstehe.« Lanyon musterte Monk immer noch mit aufmerksamen Augen. »Mr. Casbolt sagte, Sie wären auch einmal bei der Polizei gewesen, Sir. Ist das richtig?«
    Also hatte Lanyon noch nie von ihm gehört. Monk war nicht sicher, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht. Es bedeutete, dass sie nun ohne Vorurteil beginnen konnten. Doch was würde später sein, wenn er Monks Ruf in Erfahrung gebracht hatte?
    »Ja. Aber es ist fünf Jahre her«, sagte er laut.
    Zum ersten Mal ließ Lanyon nun seinen Blick über die Umgebung schweifen, wobei seine Augen zwangsläufig auf den zwanzig Schritte entfernt zusammengebrochenen Leichen haften blieben.
    »Ich seh sie mir besser mal an«, murmelte er. »Der Arzt ist auf dem Weg. Wissen Sie, wann Mr. Alberton zum letzten Mal lebend gesehen wurde?«
    »Gestern spät am Abend. Seine Frau sagte, er hätte zu jener Zeit das Haus verlassen. Wird sich leicht von den Angestellten bestätigen lassen.«
    Sie gingen auf die Körper der beiden Nachtwächter zu, blieben vor ihnen stehen, und Lanyon beugte sich zu ihnen hinab. Monk konnte nicht umhin, sie noch einmal zu betrachten. In ihren grotesken Körperhaltungen lag eine eigentümliche Obszönität. Die Sonne stand nun hoch genug, um den Hof mit Wärme zu erfüllen. Eine oder zwei kleine Fliegen surrten durch die Luft. Eine davon setzte sich in das Blut.
    Monk spürte plötzlich, wie ihm vor Zorn übel wurde.
    Aus Lanyons Kehle drang ein leiser Knurrlaut. Er berührte nichts.
    »Sehr sonderbar«, murmelte er leise. »Wirkt eher wie eine Art Exekution, nicht wie ein normaler Mord, finden Sie nicht? Kein Mensch nimmt freiwillig eine derartige Position ein.« Er streckte die Hand aus und berührte die Haut am Hals des nächstgelegenen Mannes, fast schon unter dessen Kragen. Monk wusste, dass er die Körpertemperatur festzustellen versuchte und sicherlich zu demselben Schluss kommen würde, wie er selbst eine Weile vorher. Auch wusste er, dass er den

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