In den Fängen der Macht
Casbolts Schultern und drehte ihn herum. Der Körper in Monks Händen war steif und doch sonderbar aus dem Gleichgewicht geraten, als ob ihn der leiseste Windstoß umwerfen könnte.
»Wir… wir sollten etwas unternehmen«, stieß Casbolt heiser hervor und stolperte, worauf er sich schwer an Monk lehnte. »Jemanden holen… Oh, Gott! Das ist…« Er konnte den Satz nicht beenden.
»Setzen Sie sich«, ordnete Monk an und half ihm zu Boden zu gleiten. »Ich sehe mich einmal um, vielleicht entdecke ich etwas. Wenn Sie sich besser fühlen, holen Sie die Polizei.«
»M-Merrit?«, stammelte Casbolt.
»Ich glaube nicht, dass sonst noch jemand hier ist«, antwortete Monk. »Ich werde alles absuchen. Bleiben Sie, wo Sie sind.«
Casbolt erwiderte nichts. Er schien zu niedergeschmettert zu sein, um sich ohne Hilfe bewegen zu können. Monk wandte sich um und ging über den gepflasterten Hof zu den beiden Männern, die nahe nebeneinander lagen. Der erste war stämmig gebaut, beleibt, und obwohl es bei seiner gekrümmten Haltung schwer festzustellen war, vermutete Monk, dass er kleiner war als der Durchschnitt.
Sein Kopf und das, was von seinem Gesicht noch übrig war, war von Blut bedeckt. Das wenige Haar, das noch zu sehen war, war hellbraun und noch nicht von grauen Strähnen durchzogen. Er könnte in den Dreißigern gewesen sein.
Monk schluckte schwer und trat vor die nächste Leiche. Dieser zweite Mann schien älter gewesen zu sein; sein Haar war grau meliert, sein Körper magerer und seine Hände voller Schwielen. Am Rücken war ihm die Kleidung von den Schultern gezerrt worden, und seitlich und senkrecht auf dem Schultergürtel waren fast blutlose Schnitte zu sehen. Sie mussten nach dem Tod angebracht worden sein.
Monk trat noch einmal vor den ersten Mann und betrachtete ihn genauer. Auf seinen Schultern fand er dasselbe Zeichen, bei ihm war es jedoch halb versteckt durch die Art, wie er gefallen war. Obwohl der Schnitt noch leicht geblutet hatte, musste auch er dem Mann beigebracht worden sein, nachdem sein Herz zu schlagen aufgehört hatte. Es war abartig, grausam, einem Toten dies anzutun. Steckte hier etwa großer Hass dahinter? Oder eine böse Absicht? Es lag kein Sinn darin, aber warum sollte jemand Zeit damit verschwenden? Sicherlich versuchte man doch nach solchen Morden, so schnell wie möglich die Flucht zu ergreifen?
Zunächst war Monk zu erschrocken gewesen, um den Körper zu berühren und zu prüfen, ob er noch warm war. Nun musste er es dennoch tun. Er warf einen Blick auf Casbolt, der auf dem Pflaster saß und ihn anstarrte. Monk bückte sich und berührte die Hand eines Toten. Sie wurde bereits kalt. Dann berührte er die Schulter unter Mantel und Hemd. Hier spürte er noch eine Spur der Körperwärme. Sie mussten vor zwei oder drei Stunden getötet worden sein, ungefähr um zwei Uhr nachts. Alberton konnte nicht lange nach Mitternacht angekommen sein. Die anderen beiden Männer waren vermutlich die angestellten Nachtwächter.
Bald würden ihre Kollegen von der Morgenschicht eintreffen. Hinter den Toren konnte er den Lärm der Karren in den Straßen und hier und da Stimmen hören. Die Welt erwachte und begann ihr Tageswerk. Monk erhob sich und ging zu Alberton hinüber, der in derselben grotesken Position am Boden lag. Hier war der Schuss gezielter gesetzt worden, von seinem Gesicht war noch mehr zu erkennen. Auf seiner Schulter war dasselbe V- förmige Zeichen zu sehen.
Monk war überrascht über seinen Zorn und seine Trauer. Erst jetzt erkannte er, wie sehr er den Mann gemocht hatte. Dieses Verlustgefühl hatte er nicht erwartet. Er verstand, warum Casbolt so erschüttert war und sich kaum bewegen und nicht sprechen konnte. Sie waren zeit ihres Lebens Freunde gewesen.
Trotzdem musste er Casbolt jetzt dazu veranlassen, sich zusammenzunehmen, um sich auf die Suche nach dem nächsten Dienst habenden Constable zu machen, damit dieser einen Vorgesetzten und den Leichenwagen für die Toten herbeirief. Er drehte sich um und begann zurückzugehen. Er war fast bei Casbolt angekommen, als sein Fuß im Schmutz auf den Pflastersteinen gegen etwas Hartes stieß. Zuerst dachte er, es wäre ein Stein gewesen, und warf kaum einen Blick darauf. Aber dann stach ihm ein helles Glimmen ins Auge, und er bückte sich, um es sich genauer anzusehen. Es war Metall, gelb und glänzend. Er hob es auf und rieb den angetrockneten Dreck ab. Es war eine Herrenuhr, rund und schlicht, mit einer Gravur auf der
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