In den Fängen der Macht
V-förmigen Einschnitt finden würde.
»Tja…«, meinte Lanyon, als er den Einschnitt entdeckte und dabei den Atem einsog. »Ganz definitiv eine Art Exekution.« Er sah zu Monk auf. »Und die Waffen sind alle gestohlen worden, wie Mr. Casbolt berichtete?«
»Das ist richtig. Das Lagerhaus ist vollkommen ausgeräumt.«
Lanyon erhob sich, rieb sich die Hände an den Seiten seiner Hose ab und stampfte ein wenig mit den Füßen, als ob er einen Krampf hätte oder sie kalt geworden wären.
»Und es handelte sich um qualitativ beste Gewehre – Enfield P1853, Musketen mit gezogenem Lauf – sowie einen ordentlichen Munitionsvorrat dafür. Ist das richtig?«
»Das hat man mir gesagt«, erwiderte Monk. »Ich selbst habe nichts davon gesehen.«
»Wir werden es überprüfen. Es gibt gewiss Aufzeichnungen. Und Arbeiter, die tagsüber hier beschäftigt sind. Der Constable wird sie vorerst draußen vor dem Tor aufhalten, ebenso den Wächter, wenn es denn einen geben sollte. Die Nachtschicht kann uns ja nichts mehr erzählen, die armen Teufel.« Dann ging er hinüber zu Alberton. Wieder bückte er sich und besah ihn sich genauer.
Monk schwieg. Er war sich des Constables und Casbolts bewusst, die sich in einiger Entfernung aufhielten und nun das Lager selbst inspizierten, seine Tore, die Radspuren auf dem dünnen Schmutzfilm, die sich kreuz und quer überschnitten, wo die Lastkarren zurückgestoßen waren und gewendet hatten und wo sie die Kisten mit den Gewehren beladen haben mussten.
Lanyon unterbrach seine Gedanken.
»Wofür steht das V?«, fragte er und biss sich auf die Lippen.
» V für Verbrecher? V für Verräter, vielleicht?« Er erhob sich mit gerunzelter Stirn, sein Gesicht war von Wut und Traurigkeit gezeichnet. Er war ein einfacher Mann, aber er hatte etwas Liebenswertes an sich, das den Eindruck, den er hinterließ, bestimmte.
»Dieser Mr. Breeland, der die Gewehre kaufen wollte, ist Amerikaner, nicht wahr?«
»Ja. Er kommt aus der Union.«
Lanyon kratzte sich am Kinn. »Uns kam zu Ohren, dass die Armee der Union ihre Soldaten auf etwa solche Art exekutiert, wenn es denn sein muss. Äußerst unschön. Ich für meine Person kann die Notwendigkeit dessen nicht nachvollziehen. Ein ganz normales Exekutionskommando scheint mir ausreichend zu sein.
Ich nehme an, sie haben ihre Gründe. Warum verkaufte Mr. Alberton ihm die Waffen nicht? Wissen Sie, ob er ein Südstaaten-Sympathisant war?«
»Das nehme ich nicht an«, entgegnete Monk. »Er hatte sich lediglich entschlossen, an den Käufer der Südstaaten zu verkaufen, und wollte sein Wort nicht zurücknehmen. Ich denke nicht, dass es für ihn eine Frage der ideologischen Unterschiede zwischen den beiden Seiten war, sondern lediglich eine Frage der Ehre, die verlangt, ein Versprechen zu halten.« Es fiel ihm sonderbar schwer, dies zu sagen. Im Geiste sah er Alberton lebendig vor sich, dann blickte er auf den verrenkten Körper am Boden, dessen Gesicht kaum mehr zu erkennen war.
»Nun, das kam ihn teuer zu stehen«, sagte Lanyon gelassen.
»Sir!«, rief der Constable. »Ich hab was gefunden, hier!« Lanyon wandte sich um.
Der Constable hielt die Uhr hoch.
Lanyon ging zu ihm hinüber, Monk folgte ihm auf dem Fuß. Der Polizist nahm dem Constable die Uhr aus der Hand und betrachtete sie eingehend. Der eingravierte Name war klar zu lesen.
»Sieht so aus, als ob die schon vor uns jemand gefunden hätte«, sagte Lanyon und warf Monk einen Seitenblick zu.
»Ja, das war ich. Ich säuberte die Inschrift und legte sie zurück.«
»Und ich nehme an, Sie hätten uns noch davon erzählt?«, bemerkte Lanyon mit einem scharfen Blick. Er hatte sehr klare blaue Augen. Sein Haar war gerade und stand vom Kopf ab.
»Ja, wenn Sie sie nicht selbst gefunden hätten. Aber das setzte ich voraus.«
Lanyon erwiderte nichts. Er nahm ein Stück Kreide aus der Tasche und markierte die Pflastersteine, dann gab er die Uhr dem Constable und trug ihm auf, darauf aufzupassen.
»Nicht, dass es viel zu sagen hätte, wo sie lag«, bemerkte er.
»Abgesehen davon, dass sie nicht lange dort gelegen haben konnte«, erklärte Monk. »Wäre sie irgendwo in einer Ecke gelegen, hätte sie seit Tagen dort liegen können.«
Lanyon beobachtete ihn aufmerksam. »Bezweifeln Sie, dass es Breeland war?«
»Nein«, gab Monk ehrlich zu. »Casbolt und ich fuhren zu seiner Unterkunft. Er packte alles ein, etwa eine Stunde, vielleicht etwas weniger, bevor sie hierher gekommen sein mussten, wenn ich dies
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