In den Fängen der Macht
fort.« Er war an Breelands Tür angekommen, öffnete sie und trat zurück, um ihnen Einlass zu gewähren.
Casbolt schritt an ihm vorbei, drehte sich langsam im Kreis und sah sich um. Monk folgte ihm. Der Raum schien aller persönlicher Habseligkeiten beraubt zu sein. Er entdeckte ein wenig Geschirr, eine Schüssel für Waschwasser, einen Wasserkrug und einen Stapel Handtücher. Auf dem Toilettentisch lagen einige Blätter Papier und eine Bibel. Ansonsten gab es nichts, was darauf hingedeutet hätte, wer dieses Zimmer noch vor wenigen Stunden bewohnt hatte. Casbolt ging geradewegs auf den Toilettentisch zu, blätterte das Papier durch und zog sämtliche Schubladen auf. Dann riss er das Bettzeug von der Matratze, wobei seine Bewegungen immer fahriger wurden, da er außer den wenigen Einrichtungsgegenständen nichts fand.
»Hier ist nichts«, sagte Monk.
Casbolt fluchte voll Wut und Verzweiflung.
»Es hat keinen Sinn, sich noch weiter hier aufzuhalten«, schnitt Monk ihm das Wort ab. »Wo können wir noch suchen? Wenn Breeland fort ist und Merrit bei ihm ist, vielleicht ist Alberton ihnen ja gefolgt? Wohin könnten sie gegangen sein?«
Mit beiden Händen bedeckte Casbolt sein Gesicht. Dann versteifte sich sein Körper plötzlich, und er sah Monk mit weit aufgerissenen Augen an. »Die Depesche! Da Merrit bei ihm war, könnte sie ja von ihr gekommen sein. Er freute sich darüber – freute sich sogar sehr. Das Einzige, was ihm wirklich wichtig ist, sind die Waffen! Es muss damit zu tun haben.« Er eilte bereits auf die Tür zu.
»Wohin?« Monk lief ihm auf den Korridor hinaus nach.
»Wenn er Merrit als Geisel hält, dann könnte er zum Lagerhaus gefahren sein. Dort befinden sich die Waffen«, rief Casbolt, während er auf die Haustür zustürmte und dann auf die Straße rannte. »Es ist in der Tooley Street!«, rief er dem Kutscher zu, riss den Schlag auf und sprang einen Schritt vor Monk hinein. Die Kutsche tat einen Satz nach vorn, nahm Geschwindigkeit auf, so dass Monk hart auf seinen Sitz prallte. Es dauerte einen Moment, bis Monk sich in eine aufrechte Stellung gekämpft und sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte.
Schweigend fuhren sie dahin, jeder verzehrt von der Furcht, was sie vorfinden würden. Mittlerweile war es hell geworden, und die ersten Arbeiter waren auf dem Weg zu ihren Arbeitsstätten. Sie fuhren an Händlerwagen vorbei, die auf dem Weg zum Gemüsemarkt am Covent Garden waren. Es waren vertraute Eindrücke und Geräusche.
Sie überquerten den Fluss über die London Bridge, auf dem Wasser herrschte bereits lebhafter Lastkahnverkehr, und die Flut brachte feuchten Salzgeruch mit sich. Das Licht war hart, grelle Reflexionen blitzten auf der bewegten Wasseroberfläche.
Die Kutsche bog nach rechts ab, dann standen sie vor einem hohen, doppelflügeligen Holztor. Casbolt sprang hinaus und rannte darauf zu. Er warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht dagegen, woraufhin es sich öffnete, offenbar von keinem Schloss oder Riegel gesichert.
Monk folgte ihm und lief auf den Hof vor dem Lagerhaus. Einen Moment lang meinte er im kalten Morgenlicht, er sei leer. Die Tore des Lagerhauses waren geschlossen, die Fenster blind. Die rundlichen Pflastersteine waren schmutzverschmiert, und in mehrere Richtungen führten eindeutige Radspuren, als ob man versucht hätte, etwas Schweres zu wenden.
Frischer Pferdedung lag auf der Erde.
Dann sah er sie: dunkle, merkwürdige Hügel. Casbolt hielt wie gelähmt inne.
Monk eilte an ihm vorbei, in seinem Magen breitete sich Kälte aus, seine Beine zitterten. Zwei Körper lagen nahe beieinander, ein weiterer zwei, drei Schritte davon entfernt. Sie lagen alle mit seltsam verrenkten Gliedern, als ob sie auf dem Boden gelegen hätten und ihnen jemand mit einem Besenstiel unter Knie und Arme gefahren wäre. Um Hände und Fußgelenke waren sie gefesselt, was ihnen jegliche Bewegung unmöglich gemacht hatte, und sie waren geknebelt. Die ersten beiden waren Fremde.
Monk trat vor den Dritten, Übelkeit breitete sich in seinem Magen aus. Es war Daniel Alberton. Wie die anderen beiden hatte man auch ihn mit einem Kopfschuss getötet.
3
Voller Grauen starrte Monk auf Alberton hinab, bis ihn Casbolts Stöhnen schlagartig zu der Erkenntnis brachte, dass sie etwas unternehmen mussten. Er wandte sich um und sah, dass Casbolt verstört und ganz offensichtlich unfähig war, sich zu bewegen. Er sah aus, als würde er gleich das Bewusstsein verlieren.
Monk trat neben ihn. Er packte
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