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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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zerschmetterten Körperteil verbluten konnte.
    Einmal versuchte sie etwas über Krankheiten zu erklären und wie sich Typhus, Cholera und Ruhr schnell wie ein Feuer in einem trockenen Wald bei den Männern in einem Feldlager ausbreiten konnten. Aber sie stieß nur auf Unverständnis, und in einem Fall begegnete man ihr gar mit Aggression. Es waren gute, aufrichtige und mitfühlende Menschen, aber vollkommen blind. In England war es dasselbe gewesen. Die quälende Enttäuschung und die Wut auf die eigene Hilflosigkeit waren nichts Neues für Hester. Sie wusste nicht, warum es sie nun beim zweiten Mal mehr schmerzte, Tausende von Meilen von zu Hause entfernt und inmitten eines Volkes, das auf vielerlei Weise so anders war als ihr eigenes und dessen Schmerzen sie nicht miterleben würde, weil sie nicht lange genug hier sein würde. Vielleicht kam es daher, dass sie beim ersten Mal selbst noch so unwissend gewesen war, nicht vorausgeschaut hatte und sich nicht einmal hatte vorstellen können, was kommen würde. Dieses Mal wusste sie es. Die Wirklichkeit hatte ihr schon einmal Verwundungen zugefügt, die immer noch empfindlich waren.
    Bis zum Abend war es Trace bereits gelungen, Breelands Eltern ausfindig zu machen, und er hatte zudem bewerkstelligt, dass er, Hester und Monk im selben Restaurant wie sie dinieren würden. Natürlich war es eine forciert herbeigeführte Situation, aber um zehn Uhr abends standen sie alle in einer Gruppe beisammen und unterhielten sich, und um fünf Minuten nach zehn wurden sie einander vorgestellt.
    »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen«, sagte Hester zunächst an Hedley Breeland gewandt, einen imposanten Mann mit starrem weißem Haar und einem so durchdringenden Blick, dass er einen fast in Verlegenheit brachte. Dann begrüßte sie Mrs. Breeland, eine Frau mit wärmerer Ausstrahlung, die aber ganz nahe bei ihrem Mann stand und ihn mit offensichtlichem Stolz betrachtete.
    »Nett, Sie kennen zu lernen, Ma’am«, sagte Hedley Breeland höflich. »Sie kamen zu einer ungünstigen Zeit. Man ist allgemein der Auffassung, das hochsommerliche Wetter in Washington sei stets bedrückend, und gerade jetzt haben wir Probleme, von denen ich zu behaupten wage, dass Sie sogar in England bereits davon gehört haben dürften.«
    Hester war nicht überzeugt, ob ein Teil seiner Worte nicht als Kritik an ihrer Wahl der Reisezeit gemeint gewesen war. Sein Gesicht verriet jedenfalls nichts, was die Schroffheit seiner Worte gemildert hätte.
    Mrs. Breeland mischte sich ein. »Wir wünschten nur, wir könnten Ihnen einen angenehmeren Empfang bereiten, aber all unsere Aufmerksamkeit gilt momentan dem Kampf. Gott weiß, wir taten alles, was in unserer Macht stand, um ihn zu vermeiden, aber es gibt keine Möglichkeit, sich mit der Sklaverei zu arrangieren. Sie ist schlichtweg falsch.« Sie lächelte Hester entschuldigend an.
    »Es geht nicht nur um Sklaverei«, korrigierte ihr Mann sie.
    »Es geht hier um die Union. Doch man kann von Ausländern nicht verlangen, dafür Verständnis aufzubringen, aber wir müssen schon bei der Wahrheit bleiben.«
    Ein Anflug von Ärger deutete sich auf Mrs. Breelands Gesicht an, verschwand aber sogleich wieder. Hester konnte nicht umhin, sich zu fragen, was sie wirklich fühlte, welche Gefühle ihr Leben bestimmten, von denen ihr Gatte möglicherweise keine Ahnung hatte.
    »Unser Sohn hat sich soeben verlobt, er will ein englisches Mädchen heiraten«, fuhr Mrs. Breeland fort.
    »Sie ist bezaubernd! Sie benötigte wirklich allen Mut der Welt, einfach zu packen und mit ihm hierher zu reisen, ganz allein, weil ihr Vater nämlich dagegen war.«
    Hester spürte eine Welle der Erleichterung, dass Merrit hier war und offenbar freiwillig gekommen war. Das Mädchen konnte unmöglich die Wahrheit wissen.
    Hester spürte, wie Monk sich versteifte, und sie legte warnend ihre Hand auf seinen Arm.
    »Sie hat gleich erkannt, welch großartiger Mann er ist, schon als sie ihn zum ersten Mal sah«, erklärte Hedley Breeland mit erhobenem Kinn. »Sie hätte in keinem Land auf Gottes grüner Erde einen Besseren finden können, und sie hatte den Verstand, das zu wissen! Prima Mädchen!«
    »Ist Ihr Sohn auch hier?«, fragte Hester arglistig. »Ich wäre entzückt, das Mädchen kennen zu lernen. Ich bewundere Tapferkeit sehr! Ohne sie können wir alles verlieren, was wir im Leben so sehr schätzen.«
    Breeland starrte sie an, als ob er sich ihrer Existenz gerade eben zum ersten Mal bewusst würde und

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