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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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bedurfte keiner großen Vorstellungsgabe, sie sich mit über den Rücken fallendem Haar, einem Schürzenkleid und Tintenklecksen an den Fingern in der Schule vorzustellen.
    In einem Aufruhr der Gefühle sehnte sich Hester nach einer Möglichkeit, der Wahrheit entfliehen zu können, sehnte sich danach, alles ungeschehen machen zu können, die Leichen auf dem Lagerhaushof und Breeland in der Armee der Union und mit Daniel Albertons Gewehren auf dem Weg nach Manassas. Die anderen unterhielten sich, doch sie hatte nichts gehört.
    Monk antwortete für sie.
    Irgendwie stolperte sie durch den Rest der Unterhaltung, bis man sich entschuldigte und weiterschlenderte, um mit anderen Menschen zu sprechen.
    Später in der Nacht kam Trace in Monks und Hesters Zimmer. Sein Gesicht war ernst, seine dunklen Augen wirkten müde, und die tiefen Linien zwischen Nase und Mund betonten seine Erschöpfung.
    »Haben Sie Ihr Urteil gefällt?«, fragte er und sah sie nacheinander an.
    Hester wusste, was er meinte. Sie wandte sich zu Monk um, der in der Nähe des Fensters stand, von dem aus man über die Dächer blicken konnte. Es war fast Mitternacht, aber immer noch erdrückend heiß. Die Geräusche der Stadt schwebten hoch in die Luft, begleitet von dem Duft der Blumen, dem Geruch des Staubs und der Tabakwolken sowie der übervollen Abflussrinnen, über die sich alle beklagten.
    Monk antwortete mit leiser Stimme, da er sich der anderen geöffneten Fenster sehr wohl bewusst war.
    »Wir glauben nicht, dass sie vom Tod ihres Vaters Kenntnis hat«, sagte er. »Wir haben vor, es ihr zu sagen, und was wir danach tun, hängt von ihrer Reaktion ab.«
    »Vielleicht glaubt sie Ihnen nicht«, warnte Trace mit einem Blick auf Hester, dann wieder auf Monk. »Mit Sicherheit glaubt sie nicht, dass Breeland es war.«
    Hester dachte an die Uhr. Sie erinnerte sich, wie stolz Merrit darauf gewesen war und wie zärtlich ihre Finger über die glänzende Oberfläche geglitten waren.
    »Ich denke, wir können sie überzeugen«, sagte Hester grimmig. »Doch ich weiß nicht, wie sie reagieren wird, wenn sie die Wahrheit erkennt.«
    »Wir müssen sie um jeden Preis voneinander fern halten.«
    Monk betrachtete Trace. »Breeland könnte sie als Geisel festhalten. Kampflos wird er nicht nach England zurückkehren.« Seine Stimme klang fast wie eine Frage. Monk wollte erfahren, inwieweit Trace der Sinn nach einer Konfrontation und der damit eventuell verbundenen Gewalt stand. Trace lächelte, und zum ersten Mal sah Hester in ihm weder den sanftmütigen Herrn, der Mitleid mit der Irin auf dem Schiff gehabt hatte oder der bei Judith Albertons Dinner großen Charme bewiesen hatte, noch den Menschen, der unter dem Konflikt, der sein Volk bedrohte, so sehr litt. Stattdessen sah sie den Marineoffizier, der nach England reiste, um für den Krieg Waffen zu kaufen, und der in den Kaufverhandlungen Lyman Breeland ausgestochen hatte.
    »Ich würde mir sehnlichst wünschen, ihn zurückzubringen, damit er vor Gericht gestellt wird und sich für Daniel Albertons Tod verantworten muss.«
    Als er sprach, war es kaum mehr als ein Flüstern, dennoch klangen seine Worte scharf und hart wie Stahl.
    »Daniel Alberton war ein anständiger Mann, ein ehrenhafter Mann, und Breeland hätte sich die Waffen nehmen können, ohne ihn zu töten. Das war eine Barbarei, die auch ein Krieg nicht entschuldigen kann. Er tötete aus Hass, weil Alberton sich weigerte, sein Wort mir gegenüber zu brechen. Ich bin dafür, ihn zu verfolgen, außer wenn dies bedeutete, Merrit dafür zu verlieren.«
    »Wir werden es ihr morgen sagen«, versprach Monk.
    »Wie?«, fragte Trace.
    »Darüber haben wir bereits nachgedacht.« Monk entspannte sich ein wenig und entfernte sich vom Fenster.
    »Die Schlacht wird bald beginnen, vielleicht sogar schon morgen. Die Frauen treffen Vorbereitungen für eine Art von Sanitätsdienst für die Verwundeten. Hester hat mehr Erfahrung in Feldchirurgie, als es aller Wahrscheinlichkeit nach sonst jemand hier hat. Sie wird ihre Hilfe anbieten.«
    Er bemerkte den skeptischen Ausdruck in Trace’ Gesicht und lächelte gepresst. »Ich könnte sie nicht davon abhalten, selbst wenn ich es für keine gute Idee hielte. Und glauben Sie mir, Sie könnten es auch nicht!«
    Trace wurde unsicher.
    »Doch ich finde, es ist eine gute Idee«, fuhr Monk fort.
    »Auf diese Weise wird es einfach sein, ihre Bekanntschaft mit Merrit wieder aufleben zu lassen, die ebenso den Willen hegen wird, zu helfen. Sie

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