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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Wenn sie hören, dass sich ein paar Engländer nach ihnen erkundigen, könnten sie abreisen oder – im schlimmsten Fall – versuchen, sich Merrits zu entledigen.«
    Trace’ Gesichtsausdruck wurde strenger. »Ich weiß«, sagte er leise. »Daher schlage ich vor, dass ich die Erkundigungen einziehe. Deswegen kam ich ja mit Ihnen. Sie werden auch Hilfe benötigen, wenn Sie mit ihr von hier abreisen wollen. Vielleicht gelingt es uns noch, wieder in den Norden zu kommen, vielleicht aber auch nicht. In dem Fall könnte ich Sie durch Richmond und Charleston nach Süden begleiten. Es wird davon abhängen, was während der nächsten Tage passiert.«
    Monk hasste es, von jemandem abhängig zu sein, was Hester in seinem Gesicht ablesen konnte. Aber es gab keine Alternative, und abzulehnen wäre kindisch und riskant gewesen und hätte ihre Chancen auf Erfolg geschmälert.
    Vielleicht war sich auch Trace dieser Tatsache bewusst. Wieder hellte ein flüchtiges Lächeln seine Gesichtszüge auf. »Bringen Sie so viel wie möglich über die Armee in Erfahrung«, schlug er vor.
    »Truppenbewegungen, Ausrüstung, Anzahl der Soldaten, ihren Gemütszustand. Je mehr wir wissen, desto besser können wir beurteilen, welchen Weg wir einschlagen müssen, wenn wir Merrit… und wenn möglich Breeland haben. Gewiss halten sich genügend Kriegskorrespondenten von englischen Zeitungen hier auf. Niemand wird Ihre Fragen sonderbar finden.« Er zuckte leicht die Achseln, und ein Anflug von Schalk zeigte sich in seinen Augen. »In diesem Krieg gelten Sie als neutral, wenigstens theoretisch.«
    »In der Tat«, fügte Monk hinzu. »Ich mag ja den Wunsch hegen, Breeland vom nächsten Baum baumeln zu sehen, aber ich schere nicht die gesamte Union über denselben Kamm.«
    »Und wie steht es mit den Sklavenhaltern?«, fragte Trace mit großen Augen.
    »Für die gilt dasselbe.« Monk lächelte ihm zu, erhob sich und ließ den Rest des Frühstücks unberührt. »Komm mit«, forderte er Hester auf. »Wir werden jetzt einen brillanten und scharfzüngigen Artikel für die Illustrated London News verfassen.«
    Den Rest des Tages verbrachten sie damit, durch die Straßen und über die Plätze der Stadt zu wandern, den Leuten zuzuhören, sie sowohl in den Straßen als auch im Foyer des Hotels zu beobachten. Sie bemerkten ihre Besorgnis und spürten die Unruhe, die in der Luft lag. Einige Leute hatten ganz offensichtlich Angst, als ob sie erwarteten, die Konföderierten würden geradewegs in Washington einmarschieren, aber die große Mehrheit schien sehr siegesgewiss zu sein und hatte kaum eine Vorstellung davon, welchen Preis es kosten würde, selbst wenn sie jede einzelne Schlacht gewinnen würden.
    Monk hörte die Klagen über die überwältigende Präsenz der Armee allerorten, den Aufruhr in der Stadt und vor allem über den ekeligen Gestank der Entwässerungsgräben, die mit dem plötzlichen Anwachsen der Bevölkerung nicht fertig wurden. Aber das alles beherrschende Thema waren die politischen Streitfragen darüber, dass sich die Debatte über die Sklaverei in eine Debatte gewandelt hatte, die nun die Erhaltung der Union selbst betraf.
    Hester sah die Männer und Frauen in den Straßen, insbesondere die Frauen, die ihre Söhne, Gatten und Brüder an die Front geschickt hatten und sich Ruhm für sie erträumten, wobei sie kaum ahnen konnten, welche Verletzungen sie erleiden könnten und an welchen Gräueltaten sie teilhaben würden, die sie für immer verändern würden. Die amputierten Gliedmaßen, die narbigen Gesichter und Körper würden lediglich die äußeren Wunden sein. Für die inneren würden sie keine Worte finden, um sie jemandem mitzuteilen, und sie würden zu bestürzt und beschämt sein, um es überhaupt zu versuchen. Sie hatte dies auf der Krim schon einmal erlebt, und es war eine der universellen Wahrheiten des Krieges, dass dieser Freund und Feind vereinte und sie gemeinsam von jenen abgrenzte, die ihn nicht erlebt hatten, wie tief die Treue zueinander auch immer sein mochte, die sie einst verband.
    Zwei Mal sprach sie im Hotel mit Frauen, um ihnen zu sagen, wie viel Leinen sie für Bandagen brauchen würden und welch banale Dinge nötig waren, um Verletzte sauber zu halten, wie zum Beispiel Seifenlauge, Essig und einfacher Wein. Doch sie verstanden das Ausmaß des kommenden Geschehens nicht, konnten sich die Anzahl der Männer nicht annähernd vorstellen, die verwundet werden würden, und nicht erahnen, wie schnell jemand mit einem

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