In den Fängen der Macht
würde?«
»Nicht nach all dem, was ich gehört habe, aber ich kann es natürlich nicht persönlich beurteilen«, erwiderte Oliver.
»Abgesehen davon, dass eine solche Handlungsweise unredlich gewesen wäre, so hätte sie zudem seinen Ruf für alle Zukunft ruiniert. Aber, was noch wichtiger ist, laut Monk bekam Trace sein Geld nicht zurück.« Er zögerte.
»Wenigstens behauptet Trace das. Und in Albertons Büchern findet sich kein Nachweis, dass er von Breeland Geld bekommen hatte.«
Henry steckte sich die Pfeife in den Mund und zündete ein Streichholz an, dessen durchdringender Geruch augenblicklich die Luft erfüllte. Er hielt es an den Tabak und sog an der Pfeife. Der Tabak entzündete sich, qualmte einen Augenblick und erlosch wieder. Henry schmauchte dennoch weiter.
»Die einleuchtendste Erklärung scheint mir zu sein, dass Breeland lügt«, fuhr Oliver fort. »Vielleicht muss ich Albertons geschäftliche Angelegenheiten untersuchen und so viel wie möglich über Philo Trace in Erfahrung bringen, um mich vor unliebsamen Überraschungen zu schützen.«
In schweigender Zustimmung nickte Henry bedächtig. Oliver saß immer noch vorgebeugt da, die Ellbogen auf den Knien aufgestützt. Sie betrachteten sich gegenseitig über den freien Platz vor dem Kamin hinweg. Sie saßen so, als ob das Feuer brennen würde, obwohl es an diesem Sommerabend noch so warm war, dass die Terrassentüren weit offen standen. Es war lediglich eine lieb gewordene Gewohnheit, die sich während der Jahre entwickelt hatte. Zum ersten Mal hatte ein solches Gespräch stattgefunden, als Oliver elf Jahre alt gewesen war. Damals hatten sie sich mit unregelmäßigen lateinischen Verben beschäftigt und versucht, eine Logik zu entdecken. Sie waren zu keinem Ergebnis gekommen, aber das Gefühl der Kameradschaft und die Empfindung, einen gewissen Grad an Erwachsensein erreicht zu haben, waren eine unermessliche Befriedigung gewesen.
»Die Polizei konnte den Transport der Waffen bis zum Fluss nachvollziehen, dann wurden sie auf einen Kahn verladen, den sie bis zu Bugsby’s Marshes verfolgen konnten«, fuhr er fort. »Breeland hingegen behauptet, die Lieferung am Bahnhof entgegengenommen zu haben, woraufhin er mit der Eisenbahn nach Liverpool gefahren sei. Merrit Alberton beschwört diesen Umstand.«
»Das ergibt keinen Sinn«, meinte Henry nachdenklich.
»Wie kompetent ist die Polizei? Das frage ich mich.«
»Monk sagt, der mit dem Fall betraute Mann sei hervorragend. Aber ungeachtet dessen begleitete Monk ihn persönlich und sagt dasselbe. Die Waffen gingen vom Lagerhaus an den Fluss, dann flussabwärts bis Bugsby’s Marshes. Von dort wäre es eine Leichtigkeit gewesen, sie auf ein ozeantaugliches Schiff zu verladen und damit über den Atlantik zu fahren. Nicht einmal Breeland leugnet, sie genommen und sicher nach Amerika gebracht zu haben. Vermutlich wurden sie in der Schlacht bei Manassas eingesetzt.«
Henry erwiderte nichts, er hing seinen Gedanken nach.
»Hester hält das Mädchen für unschuldig«, fügte Oliver hinzu und wünschte augenblicklich, es nicht gesagt zu haben. Er hatte zu viel von sich preisgegeben. Nicht, dass Henry seine Gefühle nicht gekannt hätte. Hester hatte ihn oft genug besucht. Sie war in diesem Zimmer gesessen, hatte das verblassende Licht am Himmel beobachtet und die letzte Abendsonne, die die Spitzen der Pappeln vergoldet hatte, während die abendliche Brise durch die Blätter fächelte. Sie hatte Henry gern gehabt, sich hier zu Hause gefühlt und einen inneren Frieden und Trost gefunden in der Schönheit des Ortes, des Geißblattes und der Apfelbäume.
»Nicht, dass das ein Grund wäre, natürlich!«, fügte er hinzu und spürte, wie er errötete, als Henrys Augen sich weit öffneten. Natürlich war genau das ein Grund. Indem er es leugnete, hatte er nur noch mehr Aufmerksamkeit auf diesen Umstand gelenkt.
»Es scheint eine Menge Dinge zu geben, die du noch nicht weißt«, bemerkte Henry, der die Pfeife hoch hielt und sie trübselig betrachtete. »Vielleicht wurde das Mädchen missbraucht und ist sich dessen nicht bewusst.«
»Das ist möglich«, nickte Oliver. »Ich muss noch eine Fülle von Fragen beantworten können, wenn ich kompetent vor Gericht auftreten will, von einer Chance auf Erfolg gar nicht zu sprechen.«
Henry betrachtete Oliver angelegentlich. »Du hast den Fall übernommen, nehme ich an.«
»Nun… ja.«
Henry stöhnte. »Ein wenig überstürzt vielleicht. Aber du bist ja weit
Weitere Kostenlose Bücher