In den Fängen der Macht
Salon betrat. »Ich fürchte, unsere missliche Lage ist äußerst ernst. Ich nehme an, Mr. Monk hat Sie informiert. Wir benötigen dringendst die beste Hilfe, die wir finden können. Hat er Ihnen die Situation bereits geschildert?«
»Umrisshaft, Mrs. Alberton«, erwiderte er und nahm auf dem Stuhl Platz, den sie ihm anbot. »Aber ich muss noch sehr viel mehr verstehen, wenn ich das Beste für Sie erreichen soll.« Er vermied das Wort Erfolg. Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt eine Chance hatte. Wie sähe ein Erfolg aus? Merrit freigesprochen und ein anderer verurteilt? Aber wer? Nicht Breeland, denn damals waren sie ineinander verliebt gewesen. Sie würden entweder überleben oder gemeinsam zu Grunde gehen. Das musste er ihr zu Bewusstsein bringen.
»Natürlich«, stimmte sie zu. Wenigstens nach außen hin war sie völlig gefasst. »Ich werde Ihnen alles sagen, was ich weiß. Ich bin nur nicht sicher, was Ihnen helfen könnte.« Die Verwirrung stand nur zu offensichtlich in ihren Augen. Ihre Hände lagen bewegungslos in ihrem Schoß, aber sie waren verkrampft, und die Knöchel traten weiß hervor.
Es war überraschend schwierig, einen Anfang zu machen. Es war stets unangenehm, in die Trauer eines Menschen einzudringen, in Dingen herumzustochern, die eine Seite des Toten ans Licht brachten, die andere nicht gekannt hatten, und die weniger schmerzvoll gewesen wären, hätte man sie geheim halten können. Aber drohende Gefahr erlaubte solchen Luxus nicht. Die Würde, mit der sie ihren Kummer zu verbergen suchte, berührte ihn tiefer, als dies Tränen vermocht hätten.
»Mrs. Alberton, aus dem, was ich bis jetzt gehört habe, schließe ich, dass es keine Möglichkeit zu geben scheint, Ihre Tochter getrennt von Lyman Breeland zu verteidigen.« Er sah, wie sich ihre Lippen aufeinander pressten, doch er konnte es sich nicht leisten, ihr, außer der Wahrheit, Dinge zu sagen, die sie gerne gehört hätte.
»Sie gaben beide an, in jener Nacht ständig beisammen gewesen zu sein«, fuhr er fort. »Ob sie sich über seine Absichten bewusst oder gar eine willige Komplizin war, darüber lässt sich streiten, obwohl wir natürlich bessere Beweise brauchen, als wir sie im Moment in der Hand haben, um die Geschworenen zu überzeugen. Unsere einzige Hoffnung ist, in Erfahrung zu bringen, was genau passiert ist, und dann unser Bestes zu tun, um alles darzulegen, was den Vorwurf entkräften könnte. Außer, es gelingt uns, zu beweisen, dass eine gewisse Möglichkeit besteht, dass eine andere Person der Schuldige ist.«
Er hatte wenig Hoffnung bei seinen Worten.
»Ich kenne die Wahrheit nicht«, gestand sie unverblümt.
»Ich kann nur einfach nicht glauben, dass Merrit zu etwas Derartigem fähig sein könnte… jedenfalls nicht freiwillig. Mr. Breeland kümmert mich nicht, Sir Oliver. Das hat er nie getan, aber mein Gatte hatte keine solchen Bedenken. Er verkaufte ihm die Waffen einfach deshalb nicht, weil er sich bereits dazu entschlossen hatte, sie Mr. Trace zu überlassen, und schon die Hälfte des Kaufpreises erhalten hatte.«
»Sind Sie sicher, dass Mr. Trace das Geld bezahlte?«
»Oh, ja.«
»Was ist mit dem Geld von Breeland?«
Sie riss die Augen auf. »Von Breeland? Es kam kein Geld von Breeland! Er stahl die Gewehre. Das war sicherlich der Grund, warum er – warum er meinen Mann und die Wächter ermordete, diese armen Männer. Ich tat für ihre Familien, was ich konnte, aber für den Verlust eines geliebten Menschen gibt es keine Entschädigung.«
»Man möchte annehmen, dass der Diebstahl der Grund war«, stimmte Oliver zu. »Und doch hätte er die Waffen stehlen können, ohne jemanden zu töten, nicht wahr? Ein Schlag auf den Kopf hätte sie überwältigt und sie ruhig gestellt, er hätte sie entsprechend fesseln und sie damit an Flucht oder Verfolgung hindern können.«
Er sah die Schatten in ihren Augen, den plötzlich aufflackernden Schmerz, als sie verstand, dass der Tod ihres Mannes für den Diebstahl gar nicht notwendig gewesen wäre, dass er aus Hass oder purer Grausamkeit ermordet worden war und nicht, weil er eine Rolle im amerikanischen Krieg gespielt hatte.
»Ich hatte darüber nachgedacht«, sagte sie leise und mit gesenkten Augenlidern, als ob sie sich vor seinem Verständnis schützen wollte.
Er war sich dieser Tatsache schmerzlich bewusst. Er wäre nicht in sie gedrungen, hätte er eine Alternative gewusst, doch Zeitdruck und die zwingenden Erfordernisse der Gesetze erlaubten keine
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