In den Fängen der Macht
verpflichtet, auch Breeland zu verteidigen.«
Oliver brachte das Unvermeidliche zum Ausdruck.
»Außer er besteht auf einem eigenen Anwalt, und dann könnte ich mir vorstellen, dass Merrit Alberton sich für dieselbe Person entscheidet, ungeachtet der Wünsche ihrer Familie.«
»Wirst du ihn denn als Klient akzeptieren, wenn du ihn für schuldig hältst?«, fragte Henry. »Wenn du weißt, dass seine Verurteilung auch die des Mädchens zur Folge hat?«
Dies war ein moralisches Dilemma, das Oliver zutiefst verabscheute. Mordfälle stießen ihn meistens ab, weil sie von Brutalität zeugten und, soweit er es beurteilen konnte, auch unnötig waren. Breeland, oder ein anderer, hätte die Waffen auch stehlen können, ohne Alberton und die Nachtwächter zu töten. Sie hätten bewusstlos und gefesselt zurückgelassen werden können und damit keine Chance gehabt, den Diebstahl zu verhindern. Zu dem Zeitpunkt, als man sie fand, wäre Breeland längst in Sicherheit gewesen. Die Morde waren völlig überflüssig und zeugten von einer gänzlich sinnlosen Grausamkeit. Viel lieber hätte er ausschließlich für Merrit die Verteidigung übernommen, auch wenn ihm im Moment noch nichts Besseres eingefallen war, als auf ihre Jugend und ein gewisses Maß von Nötigung und Einschüchterung zu plädieren und dass sie die Gewaltanwendung nicht vorhersehen konnte. Keines dieser Argumente war jedoch auf Breeland anzuwenden.
»Ich weiß es nicht«, gestand er. »Ich muss noch viel mehr verstehen, bevor ich überhaupt formulieren kann, wie ich meine Verteidigung aufbauen werde.«
Eine Weile wurde das Schweigen nicht unterbrochen. Henry stand auf, schloss die Terrassentüren und kehrte auf seinen Platz zurück.
»Außerdem gibt es da noch diese Sache mit der Erpressung«, begann Oliver schließlich erneut, und zu Henrys Überraschung erzählte er ihm, dass Monk kurz erwähnt hatte, Alberton hätte ihn bezüglich dieser dringlichen Angelegenheit konsultiert. »Ich nehme an, das könnte etwas mit der Sache zu tun haben«, sagte er unsicher.
»Nun, natürlich musst du herausfinden, wer dafür verantwortlich war«, stimmte Henry zu. »Vielleicht nahm jemand Rache dafür, die Waffen nicht erwerben zu können.«
»Aber Breeland log wegen der Gewehre!«, sagte Oliver und kehrte damit zu dem einen Punkt zurück, der unausweichlich schien. »Monk verfolgte sie doch bis hinunter zu Bugsby’s Marshes, nicht aber zum Bahnhof und nach Liverpool.« Er starrte in den leeren Kamin.
»Aber warum Mord?«, fragte Henry. »Nach dem, was du gesagt hast, musste Breeland Alberton nicht ermorden, um an die Waffen zu kommen. Nimm dieses Mädchen sehr sorgfältig unter die Lupe, Oliver, und ebenso die Witwe.«
Oliver erschrak. »Du meinst, ein häuslich motiviertes Verbrechen?«
»Oder ein finanzielles«, fügte Henry hinzu. »Was immer es auch ist, du musst dir sicher sein, bevor du vor Gericht trittst. Ich fürchte, du hast keine andere Wahl, als Monk damit zu beauftragen, so viel wie möglich herauszufinden, bevor du dich zu irgendetwas verpflichtest. Ich denke, du wärest gut beraten, die Verhandlung so lange wie möglich hinauszuzögern und viel mehr über Albertons Familie herauszufinden, bevor du dich für sie einsetzt, andernfalls würdest du deinem Klienten einen schlechten Dienst erweisen.«
Oliver sank tiefer in seinen Sessel, zufrieden, in diesem ruhigen Raum seinen Gedanken nachhängen zu können, ohne die Notwendigkeit, sich erheben zu müssen, um das Gas anzuzünden.
Henry nuckelte gedankenverloren an seiner Pfeife, aber er wusste, er konnte den Fall Alberton zumindest für diesen Abend ad acta legen.
Rathbone war verblüfft, als er Judith Alberton sah. Er hatte erwartet, das prächtige Haus würde in Schwarz drapiert sein, die Vorhänge geschlossen, ein Kranz an der Tür, und die Straße vor dem Haus würde mit Stroh bedeckt sein, um das Klappern der Pferdehufe zu dämpfen, die Spiegel würden verhangen oder gar zur Wand gedreht sein. Manche Leute hielten sogar die Uhren an. Alle Witwen trugen Trauerkleidung, gestatteten sich höchstens eine schwarze Bernsteinbrosche oder ein Medaillon, das mit Haaren des Verstorbenen dekoriert war, eine Sitte, die Rathbone abstoßend fand.
Aber Judith Albertons Gesicht war in seiner Schönheit bemerkenswert, und der außergewöhnlich starke Gefühlsausdruck darin machte es vollkommen nebensächlich, was sie trug.
»Ich danke Ihnen für Ihr Kommen, Sir Oliver«, begrüßte sie ihn, als er den dämmrigen
Weitere Kostenlose Bücher