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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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investiert hatte, der ihren Träumen so nah war.
    War sie tatsächlich so gewesen? Er wünschte, er hätte sie damals gekannt. Lächerlich, wie stechend der Schmerz immer noch war, selbst ein halbes Jahr, nachdem sie Monk geheiratet hatte. Tatsächlich war der Schmerz jetzt größer, als er es gewesen war, als sie noch unverheiratet war und Rathbone die Chance gehabt hatte, sie um ihre Hand zu bitten. Wenn er damals nur erkannt hätte, wie sehr er es sich gewünscht hatte.
    Als die Verhandlung zum Abschluss kam, zufrieden stellend und eine gute Stunde früher, als er erwartet hatte, nahm er den Dank seines Klienten entgegen und trat in den heißen lärmenden Augustnachmittag hinaus. Er winkte den ersten freien Hansom heran, den er entdecken konnte, und gab dem Fahrer die Adresse seines Vaters am Primrose Hill. Er lehnte sich gemütlich zurück und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Er wollte nicht an Monk oder den neuen Fall denken. Und vor allem wollte er nicht an Hester denken.
    Nach einem wohltuenden Abendessen, bestehend aus frischem Brot, Brüsseler Pastete, einem angenehmen Wein und hinterher einem heißen Pflaumenkuchen aus Blätterteig mit frischer Sahne, lehnte er sich in seinem Armsessel zurück und sah durch die geöffneten Terrassentüren hinaus auf den Rasen und die Geißblatthecke, hinter der sich der Obstgarten anschloss. Außer dem Gezwitscher der Vögel und dem scharrenden Geräusch, das Henry Rathbone verursachte, indem er mit einem kleinen Messer in seinem Pfeifenkopf herumschabte, ohne tatsächlich etwas damit zu bewirken, war nichts zu hören. Er tat es aus purer Gewohnheit, seine Gedanken waren nicht bei der Sache, und tatsächlich rauchte er seine Pfeife eher selten. Er füllte sie, drückte den Tabak zusammen, zündete sie an und ließ sie regelmäßig wieder ausgehen.
    »Na, und?«, sagte er schließlich. Oliver sah auf. »Wie bitte?«
    »Hast du die Absicht, es mir zu erzählen, oder soll ich raten?«
    Es war sowohl angenehm als auch beunruhigend, derartig durchschaut zu werden. Hier war kein Platz für Ausflüchte, keine Fluchtmöglichkeit, und Oliver konnte auch gar nicht in Versuchung geraten, etwas Derartiges in Erwägung zu ziehen.
    »Hast du über die Morde an dem Lagerhaus in der Tooley Street gelesen?«, fragte Oliver.
    Henry klopfte seine Pfeife an der Kaminumrandung aus.
    »Ja?«, sagte er und sah Oliver besorgt an. »Ich dachte, es wäre ein amerikanischer Waffenkäufer gewesen. Ist dem etwa nicht so?«
    »Doch, mit ziemlicher Sicherheit«, erwiderte Oliver trübselig.
    »Monk brachte ihn eben erst von Amerika zurück, damit er vor Gericht gestellt werden kann.«
    »Und was will er von dir? Er will doch etwas, nicht wahr?«
    »Natürlich.« Gelegentlich versuchte Oliver, seinem Vater auszuweichen. Aber er hatte niemals Erfolg damit, denn selbst wenn es ihm gelang, ihn auf die falsche Fährte zu locken, fühlte er sich so schuldig, dass er sofort die Wahrheit gestand und sich hinterher lächerlich vorkam. Henry Rathbone war ein offener und aufrichtiger Mensch. Manchmal war dies ein Nachteil – tatsächlich sogar recht häufig, wenn Verhandlungsgeschick und taktisches Manipulieren gefragt waren. Er hätte es niemals auch nur zu einem leidlich guten Anwalt gebracht, denn er hatte nicht das geringste Talent, eine Rolle zu spielen oder für eine Sache zu plädieren, an die er nicht glaubte.
    Aber er verfügte über eine brillante Auffassungsgabe, was Fakten betraf, und einen schonungslos logischen Verstand, der bemerkenswerter Gedankensprünge fähig war.
    Jetzt wartete er auf Olivers Erklärung. Draußen zogen die Stare über den Himmel, zeichneten sich schwarz vor den Goldtönen der abendlichen Sonne ab. Irgendwo in der Nähe war der Rasen gemäht worden, und der Geruch des gemähten Grases hing in der Luft.
    »Er brachte auch die Tochter zurück«, begann Oliver.
    »Sonderbar, aber sie und Breeland behaupten beide, keiner von ihnen sei am Tod Albertons oder dem Diebstahl der Waffen schuldig.« Er sah den ungläubigen Ausdruck im Gesicht seines Vaters. »Nein, ich glaube es auch nicht«, beeilte er sich zu sagen. »Aber seine Geschichte ist besser als ein einfaches Dementi. Er behauptet, Alberton habe seine Meinung geändert, musste dies aber wegen Philo Trace, dem Waffenkäufer aus den Südstaaten, von dem er im Voraus die Hälfte der Summe angenommen hatte, geheim halten.«
    Henrys Mundwinkel zogen sich vor Abscheu nach unten.
    »War Alberton die Art von Mann, der so etwas tun

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