In den Faengen der Nacht
kleinen Essbereichs, der Theke, der Bäckerei und eines kleinen Lagerraums, war der Rest des riesigen Gebäudes tatsächlich in der Hauptsache die Kommandozentrale der Squires von Seattle. Es gab Computer, die auf dem neuesten Stand waren und Statistiken von quasi allem führten, das mit ihnen zu tun hatte. Wo sie lebten, einkauften und Patrouille gingen. Es gab Datenbanken von örtlichen Unternehmen, die ihnen gehörten; Listen, wer für die Stadt, das Land und den Staat arbeitete und wer bestimmten Dark-Huntern in der Umgebung zugeordnet war.
Offenbar gab es neun führende Dark-Hunter in verschiedenen Gegenden der Stadt, während weitere sechs den Außenbezirken wie Bainbridge Island, Bremerton und Redmond zugewiesen waren.
Es gab auch ein Krankenhaus, das dafür eingerichtet war, jeden Dark-Hunter oder Squire zu behandeln, der so verletzt war, dass er in keinem normalen Krankenhaus eine traditionelle medizinische Versorgung hätte erhalten können, ohne dass die Leute, die dort arbeiteten, Fragen gestellt hätten. Zu diesen Normalos, die keine Ahnung von ihrer Welt hatten, gingen sie nicht. Susan wäre zwar gern wieder in diese Welt zurückgekehrt, aber sie fragte lieber nicht nach.
Doch was sie am meisten faszinierte, war der einsame Mann, der in einem Büro saß und alle örtlichen Notruffrequenzen überwachte. Er hatte ihr gesagt, dass der Anruf an die Polizisten, die zu ihrem Haus gekommen waren, als sie und Ravyn angegriffen worden waren, nicht über den Notruf gelaufen war. Hätte es einen Anruf gegeben, dann hätte er davon gewusst. Sie waren von anderswo losgeschickt worden, was die Frage aufwarf, wer sie geschickt hatte.
»Hier, Sue.«
Sie schaute sich um und sah Leo hinter sich stehen. Er hatte etwas in der Hand, das wie ein in Leder gebundenes Telefonbuch aussah. »Was ist das?«
»Das Handbuch für Squires, von dem ich dir erzählt habe.«
Er überreichte es ihr, und sie hätte es beinahe fallen lassen. Das riesige Ding musste mindestens fünfzehn Pfund wiegen, und es roch wie der alte Zedernholzschrank ihrer Großmutter, der voller Mottenkugeln gewesen war. »Du machst wohl Witze.«
Er starrte sie grimmig an. »Und du wirst auch darüber geprüft.«
Sie starrte ihn mit offenem Mund an.
»Das war nur ein Witz.« Er lächelte. »Aber darin wird genau erklärt, wer und was wir sind. Es enthält auch eine Menge Informationen über Daimons und Apolliten und die Notrufnummern für jede größere Stadt.«
»Und die Dark-Hunter? Steht über die auch was drin?«
»O ja, jede Menge. Über ihre Geschichte und Herkunft. Wenn du auf unsere Webseite dark-hunter.com gehst, gibt es eine Online-Datenbank, die die Namen aller Dark-Hunter enthält, außerdem eine Profilseite über ihr Alter und ihr Leben.«
»Wirklich?«
Er nickte.
Das könnte nützlich sein. »Ist das denn auch sicher? Ich würde denken, wenn man das alles online stellt, dann wäre das geradezu eine Einladung für Hacker.«
Er verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Nein, wir haben unsere eigenen Hacker, die uns die anderen vom Leib halten. Und wenn doch jemand zufällig einen Weg an unseren Sicherheitsvorkehrungen vorbei findet, bekommt er unfreundlichen Besuch …«
»Lass mich mal raten: von Otto?«
»Nein … von Leuten, gegen die Otto ein Kuscheltier ist.«
Das hätte sie gern erlebt – aber nicht, wenn sie an ihrer Tür klopften.
Susan versuchte, das Buch in einer Hand zu halten und es durchzublättern, aber dazu war es zu groß. Also fragte sie weiter: »Was ist mit den Squires? Kommen die auch auf der Webseite vor?«
»Nur eine Handvoll. Unsere Steckbriefe sind grundsätzlich nicht so ausführlich. Und von uns gibt es wesentlich mehr, als es Dark-Hunter gibt. Von ihnen gibt es Tausende, von uns weltweit Zehntausende.« Er klopfte auf den Umschlag des dicken Wälzers und zwinkerte ihr zu. »Viel Spaß beim Lesen!«
Susan knurrte ihn an. »Leck mich, Leo.«
Er grinste sie teuflisch an. »Ja, ich weiß.«
Susan seufzte und beschloss, sich ein ruhiges Zimmer zum Lesen zu suchen. Sie öffnete die erste Tür, an der sie vorbeikam, und stoppte abrupt, als sie auf einmal im gleichen Raum war wie Ravyn, der auf einem roten Futon schlief.
Als sie ihn mit dem Gesicht nach unten dort liegen sah, hielt sie den Atem an. Er war in die weißen Laken eingewickelt, die seine gebräunte Haut noch stärker zu betonen schienen. Und der Mann war ganz und gar gebräunt, dieser lohfarbene Teint schien seine natürliche Hautfarbe zu
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