In den Fesseln der Liebe: Roman (German Edition)
noch nicht aufgefallen.
Noch nicht einmal dann, wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte.
Innerlich zuckte sie zusammen und ermahnte sich ernsthaft, dass sie aufmerksamer sein musste. Sie hasste es, sich so dumm zu benehmen. Wieder einmal verhielt sie sich wie das vernarrte Mädchen von früher, das zwischen dem Treppengeländer hindurchgeschaut hatte, um ihn irgendwo zu entdecken. Ihr Idol. Der einzige Mann, den sie je gewollt hatte, der jedoch weit außerhalb ihrer Reichweite gewesen war. Mehr und mehr hatte sie das Gefühl, dass es noch immer so war.
Sie mochte es nicht, ihn zu beobachten, und dennoch tat sie es – wie unter einem geheimen Zwang. Und was sie sah, machte ihr keine Freude. Es war ganz unvermeidlich, dass ständig eine Frau an seiner Seite war, irgendeine schrecklich schöne Frau, die den Kopf gehoben hatte, um in sein Gesicht zu sehen, die über eine gewagte Bemerkung von ihm lächelte oder lachte. Ein schneller Blick genügte, um alles in sich aufzunehmen – die lässig eleganten Gesten, die messerscharfen, klugen Bemerkungen, das elegante und verführerische Hochziehen seiner Augenbrauen.
Die Frauen drängten sich nahe an ihn, und er ließ es zu. Einige hoben sogar die weiße Hand, um sie ihm auf den Arm oder auf seine Schulter zu legen, sie lehnten sich an ihn, während sie ihn bezauberten und neckten und ihn dazu verlockten, seine Verführungskünste an ihnen auszuprobieren, die er ihr nicht länger zeigte.
Warum sie immer wieder zu ihm hinsah – warum sie sich selbst quälte -, das wusste sie nicht. Aber sie tat es trotzdem.
»Glauben Sie, das Wetter wird morgen so schön bleiben?«
Flick konzentrierte sich wieder auf Lord Bristol. »Ich denke schon.« Seit einer Woche war der Himmel blau.
»Ich hatte gehofft, Sie würden mir und meinen Schwestern die Ehre erweisen, uns auf einer Fahrt nach Richmond zu begleiten.«
Flick lächelte freundlich. »Danke, aber ich fürchte, Lady Horatia und ich sind morgen schon beschäftigt.«
»Oh – ja, natürlich. Es war auch nur so ein Gedanke.«
Flick legte einen Anflug von Bedauern in ihr Lächeln und wünschte sich, es wäre Demon gewesen, der sie gebeten hätte, ihn zu begleiten. Sie machte sich nichts aus den ständigen Abwechslungen, die in dieser Gesellschaft üblich waren, eine Fahrt nach Richmond hätte ihr allerdings gefallen, aber sie durfte in Lord Bristol nicht die Hoffnung wecken, dass er bei ihr eine Chance hatte.
Das Essen war bereits vorüber, Demon hatte sie mit kühler Freundlichkeit abgeholt und sie steif in das Esszimmer begleitet, dann hatte er neben ihr gesessen und kein einziges Wort gesprochen, während ihre Verehrer sich bemüht hatten, sie zu unterhalten. Dieser Walzer war gleich nach dem Essen gefolgt, und ohne nachzudenken hatte sie getanzt und darauf gewartet, dass sie noch einmal einen Blick auf das Objekt ihrer Begierde werfen konnte. Er stand am anderen Ende des Raumes.
Dann wirbelte Lord Bristol sie herum. Sie sah zu Demon – und hätte beinahe erschrocken aufgekeucht. Sie wurde wieder herumgewirbelt, holte tief Luft und versuchte, ihren Schock zu verbergen. Ihre Lungen zogen sich zusammen, es tat richtig weh.
Wer war sie – die Frau, die ihn beinahe umarmt hatte? Sie war erstaunlich schön – dunkles Haar war hoch aufgetürmt um ein wundervolles Gesicht, und ein Körper, der üppigere Rundungen aufwies, als Flick sich jemals vorstellen konnte. Und was noch viel schlimmer war, sie war ihm so nahe, und die Art, wie sie ihn ansah, schrie förmlich danach, dass die beiden eine Beziehung hatten.
Lord Bristol, der glücklicherweise von alldem nichts bemerkte, wirbelte sie durch den Raum. Alles um sie herum wurde schwarz, eine segensreiche Erleichterung der schrecklichen Eifersucht, die sie erfasst hatte. Ihr war schwindlig.
Die Musik hörte auf, der Tanz war zu Ende. Lord Bristol ließ sie los – sie wäre beinahe gestolpert, und erst im letzten Augenblick erinnerte sie sich daran, einen Knicks vor ihm zu machen.
Flick wusste, dass sie blass geworden war. Innerlich zitterte sie. Sie lächelte Lord Bristol schwach an. »Danke.« Dann wandte sie sich um und verschwand in der Menschenmenge.
Sie hatte gewusst, dass er eine Geliebte hatte.
Das Wort ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Als sie sich blind durch die Menge schob, kam ihr der Instinkt zu Hilfe, und sie ging zu der Palmengruppe hinüber. Es war zwar kein Alkoven dahinter, doch im Schatten der großen Blätter in der Nähe der Wand fand sie
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