In den Fesseln der Liebe: Roman (German Edition)
Schutz.
Nicht ein einziges Mal stellte sie die Richtigkeit ihrer Vermutung infrage. Sie wusste, dass sie Recht hatte. Was sie nicht wusste, war, was sie jetzt tun sollte. Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so verloren gefühlt.
Der Mann, den sie gerade beobachtete, der Mann, der die Augen halb geschlossen hatte, während er Scherze mit seiner Geliebten machte, war nicht der Mann, den sie von der Heide in Newmarket kannte – der Mann, dem sie sich willig im besten Zimmer im Gasthof Angel hingegeben hatte.
Ihr Verstand arbeitete nicht richtig – Bruchstücke ihres Problems kamen an die Oberfläche, doch sie konnte das ganze Bild nicht sehen.
»Ich kann sie im Augenblick nicht entdecken, aber sie ist ein so hübsches kleines Ding. Recht passend. Jetzt, wo Horatia sie unter ihre Fittiche genommen hat, wird zweifellos alles gut gehen.«
Die Worte kamen von der anderen Seite der Palme, mit mütterlich anerkennendem Ton. Flick blinzelte.
»Hm«, antwortete eine zweite Stimme. »Nun, man kann ihm wohl kaum vorwerfen, dass er vernarrt ist in sie, nicht wahr?«
Flick blickte zwischen den langen Blättern hindurch – zwei alte Ladys lehnten auf ihren Stöcken und schauten suchend durch den Ballsaal.
»So sollte es auch sein«, meinte die Erste. »Ich bin sicher, dass es genauso ist, wie Hilary Eckles es gesagt hat – er hatte genügend Verstand, zu erkennen, dass es Zeit war, sich eine Frau zu nehmen, und er hat gut gewählt. Sie ist ein wohlerzogenes Mädchen, das Mündel eines Freundes der Familie. Es ist zwar keine Liebesheirat, aber das ist auch besser so!«
»In der Tat.« Die Zweite nickte entschieden. »Diese Liebesheiraten sind so ermüdend gefühlvoll. Ich selbst sehe wirklich keinen Sinn darin.«
»Sinn?« Die Erste schnaufte verächtlich. »Weil es keinen Sinn gibt. Doch leider ist das gerade die neueste Mode.«
»Hm.« Die zweite Lady hielt einen Augenblick inne, doch dann sprach sie mit einer ein wenig verwunderten Stimme weiter. »Scheint eigenartig für einen Cynster, nicht nach der Mode zu gehen, ganz besonders in diesem Punkt.«
»Das stimmt. Aber wie es scheint, ist Horatias Junge der Erste, der einen klaren Kopf behält. Er mag ja ein Satansbraten sein, aber in dieser Hinsicht hat er einen ganz ungewöhnlichen Verstand entwickelt. Nun ja« – die Lady machte eine ausladende Geste mit der Hand -, »wo wären wir wohl gelandet, wenn wir zugelassen hätten, dass die Liebe unseren Verstand ausschaltet?«
»Genau. Dort ist Thelma – mal sehen, was sie dazu zu sagen hat.«
Die beiden Ladys stapften davon. Sie stützten sich schwer auf ihre Stöcke, doch Flick fühlte sich nicht länger sicher hinter den Palmen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Der Ruheraum schien wohl der beste Platz für sie zu sein.
Sie schlüpfte durch die Menschenmenge, ging allen, die sie kannte, aus dem Weg, ganz besonders den Cynsters. Als sie die Tür zum Flur erreicht hatte, trat sie in die Schatten. Eine kleine Dienstmagd sprang von einem Hocker auf und führte sie in das Zimmer, das für die Ladys bereitgestellt worden war, damit sie sich erfrischen konnten.
Der Raum war auf der Seite hell erleuchtet, an der einige Spiegel hingen, der Rest lag im Schatten. Flick ließ sich von der Zofe ein Glas Wasser reichen und zog sich dann in einen Sessel im Schatten zurück. Sie nippte an dem Wasser und saß einfach nur da. Andere Ladys kamen und gingen, niemand entdeckte sie in der dunklen Ecke. Allmählich fühlte sie sich besser.
Dann öffnete sich die Tür weit, und Demons Geliebte betrat das Zimmer. Eine der Ladys, die vor dem Spiegel stand, entdeckte sie und wandte sich lächelnd zu ihr um. »Celeste! Und wie geht es mit deiner Eroberung?«
Celeste war stehen geblieben, hatte die Hände auf ihre üppigen Hüften gestützt und sah sich in dem Raum um. Ihr Blick ruhte ganz kurz auf Flick und glitt dann zu ihrer Freundin. Sie lächelte; es war ein Lächeln voll weiblicher Sinnlichkeit. »Also, es geht, chérie – es geht!«
Die Ladys vor dem Spiegel lachten.
In einer sinnlichen Bewegung, die die Aufmerksamkeit auf ihre üppigen Hüften lenkte, auf die schmale Taille und die vollen Brüste, schritt Celeste durch das Zimmer. Vor einem langen Spiegel blieb sie stehen und betrachtete kritisch ihre Erscheinung.
Die anderen Ladys warfen einander viel sagende Blicke zu, zogen die Augenbrauen hoch und gingen, bis auf Celeste und ihre Freundin, die kunstvoll ihre Lippen rot malte.
»Du hast es schon gehört, nicht
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