In den Fesseln des Wikingers
nicht mit ihm messen zu können – nun würde er es wenigstens mit Worten tun.
Die Gruppen blieben gut zwanzig Schritt voneinander entfernt stehen, und Wilhelm war der Erste, der seine Waffen ablegte. Thore folgte seinem Beispiel und auch alle anderen entledigten sich ihrer Schwerter, Beile und Spieße. Nur die langen Messer ließ man im Gürtel stecken – ein kleiner Notbehelf konnte auf keinen Fall schaden.
Thore eröffnete das Gespräch und fragte seinen Gegner stolz, was er ihm zu sagen habe.
„Ich komme mit einem Angebot, Thore Eishammer“, gab Wilhelm zurück. „Höre mich an und entscheide dich.“
Wilhelms Stimme, die im Kampf so mächtig über die Ebene schallte, klang jetzt ruhig, und seine Haltung war nicht kriegerisch, sondern beherrscht. Er war kein Dummkopf, der normannische Herzog.
„Du hast zwar mein Land überfallen, doch dein Mut und dein Geschick im Kampf haben mich beeindruckt“, begann Wilhelm. „Es ist keine Schande, sich mit einem tapferen Gegner zu verbünden.“
„Das kommt auf die Bedingungen an“, gab Thore gedehnt zurück. Er war von diesem Angebot vollkommen überrascht, es konnte eigentlich nur eine Finte sein.
Wilhelm legte den Kopf ein wenig in den Nacken, um den Gegner trotz des Helms besser sehen zu können. Der Herzog der Normandie hatte dunkelblaue Augen, von der Farbe, die das Nordmeer annimmt, wenn der Himmel klar ist und die Sonne scheint. Sein Blick war scharf, es schien ihm keine Bewegung seiner Gegner zu entgehen.
„Ich bin bereit, dir das Land zu geben, das von hier bis nach Westen zum Berg des Heiligen Michael reicht. Allerdings nur dann, wenn du mich als deinen Lehnsherrn anerkennst und mir Waffenhilfe versprichst. Tust du das, dann wird dieses Gebiet unter deiner Herrschaft sein, solang du lebst.“
Thore schnaubte ärgerlich. Sein Vasall sollte er werden! Sollte er vielleicht noch das Christentum annehmen und in einer feierlichen Zeremonie vor Wilhelm knien, um seine Hände demütig in die Hände des Lehnsherrn zu legen? Man hatte ihm berichtet, dass solche Verträge auf diese Art und Weise geschlossen wurden, und er hatte dies immer als eine tiefe Demütigung empfunden.
Bevor er jedoch antworten konnte, fuhr Wilhelm fort.
„Wenn man bedenkt, dass du etliche meiner Männer getötet hast, ist das ein sehr großzügiges Angebot. Allerdings habe ich noch eine kleine Bedingung.“
„Lass hören!“, sagte Thore ironisch.
Wilhelms blaue Augen blickten über Thores Leute hinweg und schienen das Wikingerlager abzusuchen, das jedoch im Nebel nur schwer zu erkennen war.
„Ich weiß, dass du eine Druidin bei dir hast, Thore Eishammer. Liefere sie mir aus. Dann können wir über mein Angebot verhandeln.“
Thore starrte ihn verblüfft an. Hatte er recht gehört?
„Wie bitte?“, rief er. „Wieso sollte ein Wikinger eine Druidin in seinem Heer mit sich führen?“
„Ich will sie haben, Thore Eishammer.“
„Wozu brauchst du eine Druidin? Ich dachte, der Herzog der Normandie sei zum Christen geworden.“
Thores höhnischer Ton ärgerte Wilhelm, sein Mund verzog sich, seine rechte Hand ballte sich zu einer Faust. „Das ist nicht deine Sache. Erfülle die Bedingung, dann werden wir uns einigen.“
Er ist ein Wolf, du darfst ihm nicht trauen. So hatte Rodena gesprochen, und sie hatte recht gehabt. Verflucht! Ihre Göttin hatte sie gewarnt, und das aus gutem Grund.
„Deine Bedingung werde ich ganz gewiss nicht erfüllen, Wilhelm“, sagte Thore kühl. „Und auch dein Angebot gefällt mir nicht. Ich bin Thore Eishammer und füge mich keinem Lehnsherrn, der mir mein Land wieder fortnehmen könnte. Mein Besitz wird nur mir allein gehören, und nach meinem Tod werden meine Söhne ihn bekommen.“
Wilhelms Gesicht zuckte ärgerlich, dann leuchtete böser Spott in seinen Augen. „Dann werden deine Söhne besitzlos bleiben, denn ich werde mir mein Land von dir zurückholen.“
„Du kannst es versuchen“, gab Thore hohnlächelnd zurück. „Doch es wird dir nicht besser ergehen als gestern.“
Er gab seinen Getreuen ein Zeichen – die Verhandlung war zu Ende, und man legte die Waffen wieder an. Beide Gruppen machten sich auf den Rückweg – von nun an würden wieder Schwerter und Beile zwischen ihnen entscheiden.
***
Rodena war zwar erleichtert, als Thore heil zurückgekehrt war, doch seine finstere Miene ließ sie nichts Gutes erwarteten. Er schien nicht daran zu denken, ihre Neugier zu befriedigen, sondern saß inmitten seiner Männer und
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