In den Haenden des Eroberers
bevor sie der bleiernen Müdigkeit nachgab.
Mit Emmas Hilfe wusch sie sich die Haare und stieg dann aus dem Zuber. Ihre Magd wickelte sie in Leinentücher, und dann ließ Fayth sich vor dem prasselnden Kaminfeuer nieder, nippte an einem Becher Wein und ließ sich von Emma das Haar kämmen. Die gleichmäßige Bewegung des Kamms durch die dichten Strähnen hatte etwas Einlullendes, und Fayth schloss die Augen. Obwohl ihr Körper völlig ausgelaugt war, riss der Gedankenstrom in ihr nicht ab. Vorratslisten, Personenlisten, Vermisstenlisten – mehr und immer mehr ging Fayth durch den Kopf, bis sie beschloss, sich ins Bett zu legen, damit wenigstens ihr Körper zur Ruhe kommen konnte. Sie entließ Emma, kroch unter die Decken und machte es sich nahe der Wand bequem.
Etwas nagte an ihr, ohne dass sie es greifen konnte. Es hatte mit ihren Pflichten als Verwalterin zu tun. Fayth drehte sich auf die Seite, um ihren schmerzenden Rücken zu entlasten. Dann wurde es ihr auf einen Schlag bewusst: Sie wusste nichts von dem, was außerhalb der Mauern von Taerford vor sich ging. Der neue Lord hatte ihr nicht gestattet, ins Dorf vor den Burgmauern zu gehen, und schien auch nicht geneigt, seinen Entschluss zu ändern.
Fayth dachte an die morgigen Aufgaben und überlegte, wie viele helfende Hände sie wohl benötigte. Weil die Palisaden repariert und gestärkt werden mussten, hatte Lord Giles jeden, der arbeiten konnte und nicht anderweitig eingeteilt war, zum Fällen von Bäumen abkommandiert, die im Hof zerlegt und zu Brettern verarbeitet wurden. Die einzigen Vorräte, die er bislang in Augenschein genommen hatte, waren die der Burgküche.
Ein Großteil der Ernte war bereits eingeholt gewesen, als die Nachricht sie erreichte, dass Harold Godwinson nach Norden gezogen war, um gegen die Truppen des norwegischen Königs Harald Hardrada zu kämpfen, der noch vor William in England eingefallen war. Als schließlich Boten Harolds Sieg verkündeten und mitteilten, dass er umgehend nach Süden reiten werde, um an der Küste Herzog Williams Armee gegenüberzutreten, hatten die Menschen von Taerford einfach weitergemacht wie bisher. Niemand hatte geglaubt, dass es einer ausländischen Streitmacht gelingen könnte, ihren König Harold zu besiegen.
Erst als sie die Botschaft von der Niederlage Harolds und dem Tod des alten Lord Taerford erreichte, hatten sie begonnen, sich gegen einen möglichen Einfall der Normannen zu wappnen. Zuerst war Fayth davon ausgegangen, dass die englischen Truppen sich erneut sammeln und den normannischen Herzog doch noch an die Küste zurückdrängen würden. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass die Normannen stattdessen an der Themse entlang bis ins Herz von Wessex vordringen würden, und so hatte sie einfach so weitergemacht, wie ihr Vater es von ihr erwartet hätte.
Als Thane of Taerford hielt ihr Vater einen Besitz, der groß genug war, um Pächter einsetzen zu können, die ihn in Getreide bezahlten. Groß genug auch, um eine vielfältige Landwirtschaft mit Rindern, Schweinen und verschiedenen Getreidesorten zuzulassen. Auch die Mühle am Fluss und die Weber trugen zum Ertrag bei, sodass Taerford immer gut gestellt gewesen war.
Und nun? Fayth wusste nicht einmal, wie es um die Ländereien stand. Ihr Gemahl sprach immer nur mit gesenkter Stimme davon und dies auch nur im kleinen Kreis, nämlich mit Roger, Matthieu, Lucien und Brice. Nicht aber mit Fayth. Als ob sie ihn mit ihren Gedanken herbeigerufen hätte, ging in diesem Moment die Tür auf und Giles trat ein. Er sah nicht hinüber zum Bett, sondern machte leise seine Runde durch die Kammer, in dem Glauben, dass Fayth tief und fest schlafe – was in den letzten beiden Nächten auch der Fall gewesen war.
„Ich bin noch wach, Mylord“, sagte Fayth und stützte sich auf die Ellenbogen. „Auf dem Tisch steht ein voller Krug Wein, falls Ihr möchtet.“
Dann ging ihr auf, dass es Lord Giles zustand, den Wein eingeschenkt zu bekommen, und sie schlug die Decken zurück und kletterte aus dem Bett. Ihre müden Beine reagierten prompt mit einem Krampf auf die neuerliche Belastung, und Fayth zuckte schmerzhaft zusammen, während sie zum Tisch hinüberging. Sie füllte einen Becher und reichte ihn ihrem Gemahl.
Dessen Blick galt jedoch nicht dem Wein in ihrer Hand. Er ließ ihn achtlos darüber hinweg und zu ihren Brüsten gleiten, die ihr Unterkleid nur spärlich bedeckte. Als Fayth sah, wie es in seinen Augen aufglomm, griff sie hastig mit der freien
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