In den Haenden des Eroberers
Fayth.
„Von ihm“, erwiderte der Gottesmann und wies mit einem Nicken zum hinteren Teil der Kapelle. „Lord Giles bat mich, nach Euch zu sehen.“ Fayth blickte nicht in die gewiesene Richtung. „Er sagte, er habe Euch mit seinem Zorn verschreckt, wolle aber nicht, dass Ihr Euch vor ihm ängstigt.“
„Das hat er Euch gesagt?“, wisperte Fayth. Noch immer wandte sie sich nicht um.
„Ja, mein Kind. Ich glaube nicht, dass er ein schlechter Mensch ist. Er hat viel von Eurem Vater, als der im gleichen Alter war. Ich denke, Ihr könnt ihm trauen.“
„Das glaubt Ihr wirklich, Vater?“ Die Worte des Priesters fühlten sich an wie ein Schlag ins Gesicht. Wie konnte er diesem neuen Lord nur solches Vertrauen entgegenbringen?
„Ja, das glaube ich. Er mag Fehler machen in seinen Bestrebungen, aber er ist gewillt, sie zu sühnen. Was nicht gerade die Regel unter den Normannen ist“, fügte Vater Henry augenzwinkernd hinzu. „Und Ihr seid nun seine rechtmäßige Frau. Euer Platz ist an seiner Seite, ob nun Euer Vater dies so verfügt hat oder jemand anderes an seiner statt.“
Das war eine vorsichtige Umschreibung der Tatsache, aber eine Tatsache blieb es. Was Fayth jedoch auf der Seele lastete, war etwas ganz anderes, das sie unmöglich mit dem Priester besprechen konnte. Oder etwa doch?
„Aber verrate ich damit nicht alle, die mir teuer waren?“ Über die körperliche Leidenschaft würde sie kein direktes Wort verlieren, aber sie brauchte Vater Henrys Rat.
„Mein Kind, Ihr selbst habt hier, in dieser Kapelle, die Worte ausgesprochen, die Euch als seine Gemahlin an ihn binden. Was auch immer dazu geführt hat, ändert nichts daran, dass Ihr mit diesem Mann die Ehe eingegangen seid.“ Vater Henry trat näher und senkte die Stimme. „Und sollte die Ausübung Eurer ehelichen Pflichten mit gewissen Freuden einhergehen, so bin ich sicher, dass der Herr, unser Gott, dagegen nichts einzuwenden hat. Wie auch ich nicht“, fügte er an.
Bei diesen Worten traten Fayth Tränen in die Augen, die sie rasch wegwischte.
„Also, mein Kind, möchtet Ihr mit Lord Giles sprechen oder soll ich ihn fortschicken?“ Vater Henry trat wieder zurück und nickte in Giles’ Richtung.
Wenn Fayth nicht den Rest ihres Lebens in der Kapelle verbringen wollte, so musste sie wohl oder übel ihrem Gemahl entgegentreten und mit ihm reden. Ansonsten würde niemals Frieden zwischen ihnen herrschen. Es war, musste sie einräumen, schon bemerkenswert, dass Giles zu Vater Henry gegangen war und ihn gebeten hatte, zu vermitteln. Und, so dachte Fayth einmal mehr, wahrlich nicht alltäglich für einen normannischen Adligen. Die meisten in seiner Position hätten sich diese Mühe nicht gemacht, wenn sich eine Angelegenheit ebenso gut mit Gewalt hätte klären lassen. Berichte über derlei Grausamkeiten hatten Fayth letztlich dazu gebracht, in eine Ehe mit Edmund einzuwilligen.
„Ja, ich werde mit ihm sprechen, Vater“, sagte Fayth leise.
„Gut, mein Kind. Kommt, ich werde Euch zu ihm geleiten.“
Vater Henry hielt ihr den Arm hin, und Fayth legte ihre Hand darauf. Sie wagte es sogar, sich ein wenig auf ihn zu stützen.
„Mylord“, wandte der Priester sich an Giles, „möchtet Ihr das Gespräch vielleicht hier in der Kapelle führen? Die Gegenwart Gottes erweist sich in derlei Angelegenheiten oft als segensreich.“ Anstatt Giles Zeit für eine Antwort zu lassen, eilte er davon und kehrte mit zwei Stühlen zurück, die er in der Mitte der Kapelle hinstellte. Er platzierte sie so, dass die Sitzenden sich ansehen mussten. Dann nickte er lächelnd und wies auf den einen Stuhl. „Mylord.“ Er deutete auf den anderen. „Mylady.“
Fayth setzte sich Giles gegenüber hin. Ihr Magen war ein heißer Knoten. Sie wartete darauf, dass er das Wort ergriff. Doch es war Vater Henry, der sprach.
„Wenn Ihr es wünscht, dann bleibe ich, Mylord“, sagte er.
Fayth musste lächeln, denn sie wusste so gut wie Giles, dass die Frage nicht an ihn, sondern an sie gerichtet war.
„Mylady?“ Giles’ Stimme klang sanft. „Wünscht Ihr, dass Vater Henry bleibt?“ Er sprach den Namen des Priesters französisch aus.
„Nein, Mylord, ich bin sicher, dass er anderen Pflichten nachzugehen hat, von denen ich ihn nicht abhalten möchte.“
Vater Henry neigte den Kopf und ging zum Altar hinüber, vor dem er einige Augenblicke im Gebet verharrte, bevor er sich zurückzog. Als Fayth schließlich wagte, ihren Gemahl anzuschauen, sah sie nicht den
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