In den Haenden des Eroberers
beobachtete, wie Fayth den Pfad durchs Dorf entlangschritt und immer mehr der Bewohner sich um sie scharten. Wer sein Tagewerk im Dorf verrichtete, kam herbei, sobald er hörte, dass die Herrin da sei. Auf ein Nicken von Giles hin schlenderte Brice durch die Behausungen und lugte wachsam in Scheunen und Schuppen. Fayth sprach schon eine ganze Weile mit den Dörflern, als ein heraufziehendes Unwetter den Himmel verdunkelte. Giles rief alle zusammen, um aufzubrechen.
Zunächst schien es, als zögere Fayth, doch dann sagte sie den Leuten Lebewohl und versprach, bald wiederzukommen, bevor sie zu Giles herüberkam. In ihrem Gang lag nichts Verhaltenes, bemerkte Giles, und das stimmte ihn froh. Noch bevor er die Hand ausstrecken konnte, um ihr aufs Pferd zu helfen, reckte Fayth ihm ihren Arm entgegen. Sie wirkte nicht im Geringsten ängstlich, und als sie hinter Giles aufsaß, schien sie keine Einwände mehr gegen den verfrühten Aufbruch zu haben.
„Seht Ihr, Mylady? Da braut sich ein Unwetter zusammen. Morgen werdet Ihr mehr Zeit mit den Menschen hier verbringen können“, sagte Giles.
„Das erlaubt Ihr, Mylord?“
„Nun, lieber wäre es mir natürlich, Ihr würdet auf der Burg bleiben“, erwiderte er. „Aber mit Brice oder Roger an Eurer Seite gestatte ich es, ja.“
Darauf erwiderte Fayth nichts, aber Giles hätte schwören können, dass sich der Griff um seine Hüften plötzlich inniger anfühlte. Als sie dann noch den Kopf an seinen Rücken lehnte, konnte er ein Lächeln nicht unterdrücken.
Den Rest des Weges über schwiegen sie. Sie waren gerade durchs Burgtor geritten, als Fayth ihren Gemahl bat anzuhalten, damit sie absteigen konnte. Giles brachte das Pferd zu den Ställen und ging dann in die große Halle, um mit seiner Gemahlin seine bevorstehende Reise zu besprechen. Doch Fayth war nirgends zu sehen. Von den Mägden erfuhr er, dass sie in dem Gemach zu finden sei, das einst das ihre gewesen war. Als Giles vor der Kammer stand, fragte er sich, was ihn wohl erwartete. Dann stieß er die Tür auf.
Geduckt schlich sich Edmund so nah ans Dorf heran, wie er es wagen konnte, ohne Gefahr zu laufen, gesehen zu werden. Er hatte die meisten seiner Männer an der Gabelung des Flusses zurückgelassen, um sich mit eigenen Augen ein Bild von der Lage zu machen, die der Bote ihm bereits geschildert hatte. Nicht genug, dass die Dörfler mit dem Versprechen des neuen Lords von der Burg zurückgekehrt waren, er werde sie beschützen – nein, sie glaubten ihm auch noch!
Edmund hatte seinen Plan, Taerford unter seine Kontrolle zu bringen und zumindest dieses Stückchen Land seines Vaters zu halten, bislang nicht verwirklichen können – der siegreiche Einfall dieses bretonischen Ritters hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch mit Hilfe der anderen nun heimatlosen Lords würde er dem Eindringling Taerford entreißen und es zu seinem Stützpunkt machen, um das Land einzufordern, das von Rechts wegen ihm zustand.
Nicht alle Angelsachsen waren von ihrem Anwesen vertrieben worden. Wer sich William dem Normannen ergeben hatte, behielt sein Land, aber sich ergeben war noch lange kein Treueschwur. Und mit der Rückendeckung der Earls von Northumbria – einst die Feinde seines Vaters – würde Edmund das normannische Lumpenpack schon vertreiben.
Ich schleiche herum wie ein Dieb, dachte er missmutig, während er sich zwischen Katen und Ställen hindurchschlich, um nicht gesehen zu werden. Dann endlich sah er Fayth. Sie war blass, wirkte aber unversehrt, soweit er das beurteilen konnte. Der Lord höchstpersönlich hatte sie ins Dorf gebracht und wachte über sie, während sie mit den Bewohnern sprach. Der Mann mit Namen Brice durchstöberte den Weiler und spähte in Katen, und ein paarmal entkam ihm Edmund nur knapp. Aber er hatte inzwischen Übung darin, sich unsichtbar zu machen.
Nach einer Weile rief der Ritter Fayth zu sich, und sie folgte seinem Ruf unverzüglich. Edmund kniff die Augen zusammen und beobachtete, dass der Bretone und Fayth miteinander sprachen und Fayth sich schließlich von den Dorfbewohnern verabschiedete mit dem Versprechen, bald wiederzukommen. Und dann reichte sie dem Ritter doch tatsächlich die Hand und schwang sich ohne zu zögern hinter ihm aufs Pferd!
Fayth hatte ihr Leben riskiert und Fürsprache für Edmund gehalten. Nur dank ihr hatte er entkommen und seine Männer zum Gegenschlag sammeln können. Daher verzieh er ihr vieles. Zudem war ihr Handeln vielleicht davon
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