In den Haenden des Eroberers
wieder zu Boden. Der Mann fiel auf den Rücken, sodass Fayth sein Gesicht sah.
Es war Siward!
Der Schreck fuhr Fayth in die Knie und ließ sie beinahe ebenfalls zu Boden gehen. Sie wusste, dass Siward in Lord Huards Fängen einen langsamen, qualvollen Tod sterben würde. Entsetzt schweifte ihr Blick umher und sie betete, dass die Männer nicht auch Nissa gefasst hatten.
Sie musste hinunter in den Hof, musste das Unvermeidliche verhindern. Giles musste … er musste einfach … Fayth hielt inne und überlegte, was sie tun konnte.
Siward war als Leibeigener gebrandmarkt, als Sklave. Damit war er an das Land seines Herrn gebunden und durfte es nicht verlassen. Nun war er auf Giles’ Anwesen aufgegriffen worden. Als normannischem Lord blieb Giles nichts anderes übrig, als den Mann an seinen rechtmäßigen Besitzer zu übergeben. Und mit dem Bischof von Herzog William im Nacken, blieb Giles gar keine andere Wahl.
Bei dem Gedanken drehte sich alles in ihrem Kopf. Fayth kämpfte gegen den Schwindel an und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Sie öffnete die Tür, eilte die Treppe hinab, und erst auf den Stufen hörte sie im Geiste Giles’ Mahnung, in der Kammer zu bleiben.
Doch hier stand das Leben eines Menschen auf dem Spiel – seinem Zorn würde sie sich eben stellen müssen.
Fayth lief in die Kammer mit den Verwaltungsunterlagen und griff wahllos eine der Pergamentrollen, auf der die Pächter ihres Vaters aufgelistet waren. Sie betete, dass die Liste einen Namen enthalten möge, der dem Siwards so weit ähnelte, dass es den Bischof überzeugen würde. Im Hof drängte sie sich durch die Menge und erreichte das Spektakel im selben Moment wie Giles. Als dieser sie sah, verdunkelte sich sein Blick.
„Mylord“, rief Fayth ihm zu.
„Ihr solltet nicht hier sein, Mylady“, fuhr Giles sie an. „Begebt Euch umgehend zurück in Eure Gemächer.“
„Euer Exzellenz“, wandte Fayth sich an den Bischof. „Ich habe hier die Liste der Pächter von Taerford …“
Im selben Moment war Giles bei ihr, packte sie grob am Handgelenk und zog sie beiseite, bevor sie noch mehr sagen konnte.
„Geht!“, presste er hervor. „Sofort!“
„Aber ich kann dem Mann helfen“, hielt Fayth entgegen.
„Ihr habt ihn überhaupt erst in diese Lage gebracht“, schnaubte Giles. „Und nun seht zu, dass Ihr zurück in die Burg kommt, und überlasst die Sache mir.“
Fayth wollte sich gerade abwenden, als Sir Eudes dem Bischof zurief: „Die Liste ist gar nicht notwendig, Euer Exzellenz!“ Damit beugte er sich über Siward und riss ihm die Tunika vom Leib. „Seht Ihr? Er gehört Lord Huard.“
In die Haut des Mannes war der Buchstabe ‚H‘ eingebrannt.
Scharf zog Fayth die Luft ein. Das Brandmal war nicht durch das einmalige Anbringen eines H-förmigen Eisens entstanden, sondern dadurch, dass man ihm ein gerades Stück glühendes Metall dreimal hintereinander ins Fleisch gebrannt hatte. Auf gleiche Weise war auch das Mal an Nissas Gesäß entstanden. Bevor Fayth sich versah, raunte Giles ihr zu, dass alles gut werde, schob sie Roger in die Arme und befahl diesem, sie fortzuschaffen. Dann wandte er sich ab, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen.
Fayth hätte es ohne Hilfe gar nicht in ihr Gemach geschafft, und selbst mit Rogers starkem Halt schaffte sie es kaum. Zurück in der Kammer, sank sie auf den Boden, wo sie hocken blieb, bis Emma kam und ihr auf einen Stuhl half.
Sie hätte Giles von Siward und Nissa berichten müssen. Sie hätte ihm auch von Edmund und dessen Plänen und seinem Drängen erzählen müssen, Fayth dazu zu bringen, ihn zu unterstützen. All das, ging ihr nun auf, hätte sie Giles sagen müssen.
Ich hätte es Fayth sagen müssen, dachte Giles bei sich. Er hätte ihr erzählen müssen, auf welche Weise er Huards entflohenen Leibeigenen half. Nun aber würde er erst einmal zusehen müssen, dass er aus dieser Sache hier herauskam.
Brice hatte ihm berichtet, wie Lord Huard die Menschen behandelte. Er hatte ihm auch von den Leichenbergen berichtet, die er gefunden hatte. Doch es galt Vorsicht walten zu lassen. Eudes musste nur einen einzigen Entlaufenen auf Giles’ Land aufspüren, um Giles vor das Gericht des Herzogs zerren und fordern zu können, dass er damit sein Land verwirkt habe. Es wäre ein bequemer Weg, dessen Anspruch auf Taerford aufzuheben – und da dieses sich an Huards Ländereien anschloss, wäre es naheliegend, das Anwesen ihm zu übereignen. Bislang hatten Giles und seine
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