In den Häusern der Barbaren
Eltern noch einmal von Araceli selbst. » Du hast getan, was du tun musstest, und deine jefes werden dir dankbar sein « , sagte er. Salomón Luján war einfacher Arbeiter gewesen und hielt Loyalität gegenüber den Gringo-Arbeitgebern für den Schlüssel zum mexikanischen Erfolg diesseits der Grenze. Infolge seiner breitbrüstigen Kraftakte für verschiedene Lagerhausbetreiber und Bauunternehmer hatte er diverse Stufen des nordamerikanischen Erfolgs durchlaufen, vom Erwerb seines Hauses über den triumphalen Einstieg ins Boilergeschäft bis hin zu seinem Treueeid bei der Einbürgerung und der kürzlichen Wahl in den Stadtrat von Huntington Park. Er betrachtete Araceli und entschied, auch sie sei zu Höherem bestimmt. Nach den Langhaarschnitten und den Ledersandalen ihrer Zöglinge zu urteilen, war sie diejenige, die im Hippiehaushalt ihrer Arbeitgeber Ordnung hielt.
»Bleib heute und über Nacht bei uns, und morgen finde ich den Großvater«, sagte er auf Englisch, damit ihn auch die Jungen verstehen konnten. »Heute kann ich nichts tun, weil vierter Juli ist und alle Ämter zu haben. Aber gleich morgen früh rufe ich beim Stadtdirektor an und lasse im Wahlregister nachsehen, und dann finden wir ihn. Jetzt kommt erst mal in den Garten. Unsere Party geht gerade erst los.«
Er führte Araceli und die Jungen durchs Wohnzimmer, dessen Stil Salomóns clevere Tochter – sie studierte in Princeton – als »Zacatecas-Seifenopern-Schick« bezeichnet hatte. An einer Wand hing ein Ölgemälde von Don Quijote und Sancho Pansa. Der Mann von La Mancha sollte symbolisieren, dass die Lujáns aus einem Ort stammten, in dem Adel und Geschichte verwurzelt waren und stolze Männer hoch zu Ross über die trockenen, gelben Hügel ihrer geerbten Ländereien schauten. Don Quijote teilte sich das Wohnzimmer mit einer Sammlung von Hufeisen, aufgehängten alten Revolvern, einer Sofabank sowie einem Zweisitzer mit gedrechselten Holzfüßen und cremefarbenen Samtkissen. Beide Möbel waren vom »besten Kitschmöbeltischler in Durango« importiert worden, wie seine Tochter es ausdrückte. Zwischen diesen Sinnbildern seiner romantischen Weltsicht waren Familienfotos aufgehängt, darunter ein Porträt der schon erwähnten Tochter beim Schulabschluss und ein weiteres vom Patriarchen, wie er in der Wahlnacht zusammen mit dem Bürgermeister von Huntington Park die verschränkten Hände in die Luft reckte. Brandon und Keenan schauten sich das Bild einige Sekunden an, ohne zu wissen, was genau es zu bedeuten hatte, allerdings schloss Brandon aus dem Bild und der Autorität, die Mr Luján ausstrahlte, dass er vor Kurzem zum Präsidenten von Huntington Park ausgerufen worden war.
Sie gingen in den Garten, wo sechs gemietete weiße Tische im senfgelben Licht aufgestellt waren, das durch die Leinwand des Zeltbaldachins fiel. Salomón führte Araceli und die Jungen an einem Grüppchen halb wacher junger Leute vorüber, die an den Tischen saßen, bis zum Ende des Gartens, wo zwei Männer mit Schaufeln sich neben einem Haufen gelblicher Erde unterhielten, der sich anscheinend aus dem Rasen gewölbt hatte.
»Wir essen carnitas , so wie sie es auf den Ranchos machen«, verriet Salomón den Jungen. »Da ist ein Schwein vergraben.«
»Unter der Erde?«, fragte Brandon.
»Ja, da sind heiße Steine drin. Und das Schwein, in Folie gewickelt, das wird gebraten. Wir lassen es ein paar Stunden garen. Wenn es fertig ist, hast du sehr saftiges Fleisch. Sabrosísima. «
Brandon schaute den Hügel unschuldig verwundert an, was Mr Luján und die beiden verschwitzten, stoppelbärtigen Schaufelmänner zum Grinsen brachte. Tatsächlich fand er die Vorstellung, dass in einem unsichtbaren Hohlraum unter seinen Füßen etwas brannte, zutiefst beunruhigend. »Ich dachte, Feuer braucht Sauerstoff zum Brennen«, sagte er, aber Mr Luján hatte sich schon anderen Dingen zugewandt und gab keine Antwort, und seine beiden Cousins mit den Schaufeln sprachen nicht gut genug Englisch, um ihm die einfachen physikalischen Grundlagen des carnitas -Grillens zu erläutern. Nachdem Brandon einen Augenblick darüber nachgedacht hatte, kam er zu dem verstörenden Ergebnis, dass er über einer Grube voll vergrabener Flammen stand, so wie in der Unterwelt, die in seiner Lektüre oft beschrieben wurde: Seelen, die in unterirdischen Gängen gefangen waren, Übeltäter, die in dunklen Grotten ihre Höllenmaschinen bauten. Er überlegte, ob er wegrennen sollte, dann jedoch kehrte Mr Luján
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