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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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Antwort. Sie hob den Kopf und erklärte, man werde Maureen allein interviewen; die Jungen, Samantha und Scott würden als Statisten in dem Bildmaterial zu sehen sein, das nach dem Interview rund ums Haus gefilmt würde und welches das Leben der Torres-Thompsons sans Araceli zeigte. Natürlich , dachte Maureen, mich wollen die Leute sehen . Ihr zwölf Sekunden langer »Ausbruch« vor den Kameras war während der vergangenen sechsunddreißig Stunden oft genug im Fernsehen wiederholt worden, um in den Mütterblogs »Kultcharakter« attestiert bekommen zu haben. Warum , fragte sich Maureen, reagieren so viele Menschen, egal, ob Finanzmanager, US -Senator, kleiner Blumenhändler oder gestresste Hausfrau aus Orange County, so heftig auf den Ausbruch einer wütenden Frau? Was ist so bemerkenswert oder besonders daran, wenn eine Mutter die Stimme erhebt?
    »Maureen Thompson, wie geht es Ihnen? Wie geht es Ihrer Familie?«
    »Gut. Natürlich steckt uns der Schreck noch in den Knochen. Wir haben zwei Tage und eine lange Nacht hinter uns, die uns wie eine Ewigkeit erscheinen. Wir sind nach Hause gekommen und dachten, jetzt sehen wir unsere Jungs wieder, und dann, tja, dann waren sie verschwunden.« Sie merkte, dass ihre Stimme zu beben abfing, dass sie schwach und zerbrechlich wirkte, und im selben Moment wurde ihr klar, dass das gar nicht so schlecht war. »Und dann haben wir erfahren, dass sie am anderen Ende der Stadt waren.«
    »Geht es den Jungen gut?«
    »Ja, danke. Sie haben eine neue Erfahrung gemacht, eine ziemlich aufregende noch dazu, aber offenbar haben sie keinen Schaden davongetragen.«
    »Eine aufregende Erfahrung?«
    »Ja. Anscheinend hat unsere Angestellte Araceli sie auf eine Zugfahrt mitgenommen. Gott weiß, warum. Sie waren auch eine Weile unter Obdachlosen, zumindest klingt es danach.«
    »Unter Obdachlosen?«
    »Ja. Was ich natürlich sehr beunruhigend finde.«
    »Aber jetzt geht es ihnen gut?«
    »Ja.«
    »Erzählen Sie von Ihrer Familie.«
    »Mein Mann arbeitet als Programmierer. Ich unterrichte Kunst, an der Schule meiner Kinder. Ich bin Kunstlehrerin. Na ja, auf ehrenamtlicher Basis, muss ich dazusagen, ich bekomme kein Geld dafür. Immerhin kann ich so in der Nähe meiner Jungen sein.« Plötzlich klang ihre Stimme nicht mehr zittrig. »Und in diesem schönen Haus wohnen wir nun seit fünf Jahren.«
    »Bitte schildern Sie mir genau, wie Sie gemerkt haben, dass Ihre Kinder verschwunden sind«, sagte der Nachrichtenmann und sah ihr direkt in die Augen, nur um dann in deutlich herzlicherem Tonfall, so wie ein Showmaster das Publikum in der ersten Reihe anspricht, hinzuzufügen: »Und bitte, entspannen Sie sich. Wir können die Aufnahme jederzeit wiederholen.«
    »Mein Mann und ich haben einen Ausflug gemacht«, erklärte Maureen und vermied dabei das Wörtchen getrennt , was näher an der Wahrheit gewesen wäre. »Wissen Sie, wenn man drei Kinder hat, braucht man mal eine Auszeit.« Nein, das hätte ich nicht sagen dürfen, das klingt so verwöhnt . »Unsere Jungen sind ja schon ein bisschen größer und recht pflegeleicht, deswegen dachten wir uns, wir lassen sie über Nacht bei ihrer Nanny und nehmen nur Samantha mit. Sie ist noch so klein, es war besser, sie mitzunehmen.« Maureen hielt inne und atmete tief durch, denn sie war viel weiter von der Wahrheit abgewichen, als sie das ursprünglich geplant hatte. Sie machte den Fehler, den Blick zu senken und auf den Boden zu starren, doch sie fing sich schnell und fühlte sich auf einmal seltsam konzentriert. »Dann sind wir wieder nach Hause gekommen. Es war still. So ungewöhnlich still.« Jetzt, da sie wieder auf dem Boden der Tatsachen stand, sprach sie aus vollster Überzeugung. Sie konnte sehen, wie sich die Augen des Journalisten erwartungsvoll verengten. »Irgendwas stimmte nicht. Wir sind von Zimmer zu Zimmer gegangen und haben die Jungen gesucht. Ich dachte noch: Das ist aber merkwürdig. Warum sind Araceli und die Jungen nicht hier? Ich meine, sie hatte ja kein Auto und keine Erlaubnis, die Kinder irgendwohin mitzunehmen. Zuerst dachte ich: Oh, sicher ist ihr langweilig geworden, und sie ist mit ihnen zu Fuß zum Park gelaufen. Es ergab irgendwie keinen Sinn, sie hatte ja kein Auto. Aber Sie kennen das ja, man will sich immer einreden, dass schon nichts Schlimmes passiert sein wird. Aber irgendwann war klar, dass die Kinder verschwunden sind. Auf einmal fühlte sich das Haus so leer an. So schrecklich leer. Ich habe mich gefragt, wo meine Kinder

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