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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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Autos absuchte. Niemand folgt mir. Qué milagro. Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Tageslicht. Sie wollte nach ihrer Pflichtverteidigerin fragen, doch stattdessen erzählte Glass ihr etwas von einer »Kundgebung«.
    »Wie bitte?«
    »Wir gehen zu einem kleinen Treffen«, sagte er, als sie in sein Auto stiegen. »Ihr Fall hat uns angeregt, das zu organisieren.«
    Sie kamen zum Gelände einer katholischen Gemeinde und der dazugehörigen Schule, parkten auf dem Basketballplatz und gingen dann zügig um die Kapelle herum. Glass führte sie zu einer Reihe von in gewerblichem Sandgelb gestrichenen Flachbauten. Ist das eine politische Versammlung? , wollte sie fragen. Ich bin kein Fan von Politik. Glass fing an, Araceli zu nerven, obwohl er sie aus dem Gefängnis befreit hatte. Er ging einen Schritt vor ihr her, doch sie packte ihn am staubigen Jackenärmel.
    »Warten Sie«, sagte sie. »Necesito saber.«
    »Was?« Er blieb stehen und sah sie leicht gehetzt an.
    »Was muss ich für das Geld tun?«, wollte Araceli wissen. »Für die Kaution? Was wollen die von mir?«
    »Nichts. Sie müssen nur am Tag der Verhandlung vor Gericht erscheinen.«
    »¿De veras?«
    »Ja. Und jetzt kommen Sie«, sagte Glass. »Bitte. Die Leute warten auf uns.« Sie hasteten weiter über den schwarzen Asphalt des Schulhofs. Araceli fragte sich, wieso man überhaupt keine Kinder sah, bis ihr einfiel, dass ja Sommerferien waren.
    Sie betraten einen lang gestreckten Raum mit hoher Decke und voller Leute, die in Reihen auf Klappstühlen saßen. Eine Rednerin sprach von einer kleinen Bühne zum Publikum, eine sehr kleine Frau mit heller Haut, deren hohes Flüstern vom Mikrofon verstärkt wurde. »Es que son unos abusivos« , sagte sie mit mittelamerikanischem Akzent. »A mí no me gusta que me hablen así.« Die meisten Zuschauer drehten sich zu Glass und Araceli um, als die Tür aufging, und viele lächelten Araceli an, doch niemand strahlte breiter als ein in teuren Wollstoff gekleideter, bürokratisch wirkender und zweifellos mexikanischer Mann und sein ebenso gepflegt gekleidetes Gefolge in der ersten Reihe. Diese Männer standen nun alle auf einmal auf, ignorierten unverschämt die immer noch sprechende Rednerin auf der Bühne und kamen mit ausgestreckten Händen auf Araceli zu.
    »Nein, Konsul, nicht jetzt«, sagte Glass brüsk und stellte sich zwischen Araceli und den mexikanischen Diplomaten.
    »Das ist der mexikanische Konsul in Santa Ana«, flüsterte er Araceli ins Ohr, als sie auf die Bühne stiegen. »Total scharf auf Publicity. Reden Sie nicht mit ihm. Er ist zu nichts zu gebrauchen.«
    Araceli stand nun auf der Bühne vor einem Publikum von vielleicht hundert Menschen, die sie alle mit der Freude unerwarteten Erkennens anschauten. Sie kannten ihr Gesicht aus dem Fernsehen. Sie war prominent, und diese Erkenntnis zauberte ein sardonisches Lächeln auf Aracelis Lippen, was wiederum alle nur noch glücklicher machte. Die befreite Gefangene ist dankbar, weil unsere Bewegung sie herausgeholt hat. Araceli konnte einen Augenblick über die Macht der Medien nachdenken, die ihr Gesicht Wildfremden bekannt gemacht hatten. Es waren jüngere Menschen da, die meisten anscheinend Latinos und Studenten, und ältere Leute europäischer Herkunft, die zumeist verwaschene Baumwollsachen trugen. Eine der Studentinnen, die das Haar zu einem halben Beehive hochfrisiert hatte, reckte ihr Handy in die Höhe, um Araceli zu fotografieren.
    Glass trat ans Mikrofon. »Vor einigen Minuten erst haben wir die Kaution für unsere Freundin Araceli Ramirez bezahlt«, fing er an, worauf das Publikum herzlich zu applaudieren begann. War der kräftige Kerl da hinten Felipe? Konnte das sein? Nein. Jetzt strahlten alle, abgesehen von drei ernst schauenden jungen Männern mit raspelkurzen Haaren und mit Ohrringen, die ihre Ohrläppchen seltsam aushöhlten. Sie gehörten zu einem Club mit Regeln, die Araceli nicht kannte, ihre Kiefer waren grimmig verschlossen, als wären sie statt ihrer im Gefängnis gewesen, und es schien ihnen wichtig zu sein, dass sie mit gewölbten Händen lauter als alle anderen klatschten. »Wir werden Araceli gleich bitten, ein paar Worte zu uns zu sprechen, aber zuerst …«
    Ein paar Worte sprechen? Sie schaute Glass an, wollte ihm auf die Schulter klopfen und fragen, ob sie richtig gehört hatte, aber er sprach immer noch zum Publikum. »Ihr und ich, wir wissen genau, worum es in diesem Fall geht«, sagte er, und sein Bass klang ein wenig heiser und

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