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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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damit bei der nächsten Kundgebung unzählige Aracelis über der marschierenden Menge schwebten, ein Warhol’sches Statement bezüglich der Macht ihrer Gewöhnlichkeit und Berühmtheit. Er würde sie an die Wände kleben und einen Text daruntersetzen. Vielleicht Aracelis eigene Aussage aus der Zeitung. »¡No les tengo miedo!« Und warum nicht auch auf Englisch? Eine Mexikanerin, die mit offenem Mund die Worte ausspricht: »Ich habe keine Angst!«
    »Ich weiß gar nicht mehr, was ich weiß«, sagte Maureen nach fünfzehn Minuten Gespräch mit dem Vertreter der Staatsanwaltschaft, Arnold Chang. Maureens und Scotts Antworten zum zeitlichen Ablauf und zu ihrem eigenen Verhalten während der Trennung von ihren Kindern waren konfus und ausweichend, und sie waren weder gewillt noch in der Lage, über die Beschuldigte irgendwelche Aussagen zu machen, die eine Anklage wegen strafbarer Gefährdung des Kindswohls unterfüttert hätten. Sie waren frisch geduscht und dufteten gepflegt, sie waren angemessen höflich, aber auch ziemlich distanziert dem Mann gegenüber, der vor Gericht ihre Sache gegen die Frau vertreten sollte, die ihre Kinder in Gefahr gebracht hatte.
    »Hat sie nie Sachen gemacht, die Sie eigenartig fanden?«, fragte Chang.
    »Eigenartig? Oh doch, jede Menge Sachen«, sagte Maureen. »Wir haben sie Madame Seltsam genannt.«
    »Man hat Hallo zu ihr gesagt, und sie hat nicht geantwortet«, sagte Scott.
    »Daran habe ich mich nach einiger Zeit gewöhnt. Wer muss schon dauernd im eigenen Haus ›Hallo‹ sagen?«, sagte Maureen. »Aber sie wirkte oft unglücklich.«
    »Fast die ganze Zeit«, sagte Scott. »Aber das ist ja kein Verbrechen, nehme ich an. Unglücklichsein verstößt gegen kein Gesetz.«
    »Worüber war sie denn unglücklich?«
    Über diese Frage dachten Maureen und Scott eine Weile nach und ließen die Erinnerungen an die vier Jahre mit Araceli Revue passieren. Sie schauten einander ratlos an, dann den Anklagevertreter, und zuckten beide nacheinander verlegen mit den Schultern.
    »Wir haben keine Ahnung«, sagte Scott.
    »Ich vermute, sie war einsam«, sagte Maureen. »Sie hat mehr vom Leben erwartet – sie ist ja offensichtlich sehr intelligent. Aber sie hat hart gearbeitet. Das muss man ihr lassen.«
    »Sie hat alles gemacht«, sagte Scott. »Alles. Und hat sich nie beschwert.«
    »Sie hat schon gemault«, korrigierte Maureen. »Sie war oft unfreundlich. Aber haben wir je eine wirkliche Beschwerde gehört? Nein.«
    Die »Opfer« wollten mit dem Fall nichts mehr zu tun haben, schloss der Staatsanwalt, und diese Reaktion war nicht ungewöhnlich. Sie wollten ihr normales, ungestörtes Leben zurück. Doch dann ging der Ehemann noch einen Schritt weiter.
    »Ich glaube nicht, dass Araceli angeklagt werden sollte«, sagte Scott plötzlich und unverblümt. »Ich glaube eigentlich nicht, dass sie irgendwas Falsches getan hat.«
    Maureen senkte den Blick, denn sie fühlte sich auf einmal bloßgestellt und nackt, allerdings nicht direkt überrascht. Sie ließ Scotts Bemerkung unwidersprochen überm Esszimmertisch hängen und wusste, ihr Schweigen bedeutete Zustimmung. Wenn Araceli nichts falsch gemacht hat, was ist dann mit mir? Sie hatte mit ihrer kleinen Lüge der Notruftelefonistin gegenüber zu Aracelis Verhaftung beigetragen, dann hatte sie ihre frühere Haushälterin im Fernsehinterview beinahe denunziert: Ihre Anspielungen hatten zur zweiten Festnahme der Mexikanerin geführt. Ein schlichter Satz ihres Mannes führte ihr all diese Tatsachen vor Augen. Und das hier in ihrem Wohnzimmer, vor schon wieder einem anderen Fremden.
    »Aber sie hat ihre Kinder ver… nein, in eine gefährliche Lage gebracht«, sagte der Staatsanwalt.
    »Unseretwegen«, sagte Scott. »Es war unsere Schuld.«
    »Stopp«, sagte der Staatsanwalt scharf und hob die Hand wie ein Verkehrspolizist. Scott wie Maureen begriffen sofort, wieso.
    »Können Sie die Sache nicht einfach fallen lassen?«, sagte Scott mit frustrierter Hartnäckigkeit. »Je länger das weitergeht, desto tiefer reiten Sie uns in den Schlamassel. Ich meine, die Medien und alles – das wird unsere ganze Familie verschlingen.«
    »Eines müssen Sie begreifen«, sagte Deputy District Attorney Arnold Chang nach kurzem Nachdenken. »Das ist nicht Ihre Entscheidung. Das ist nicht mehr Ihr Fall. Er gehört jetzt der Öffentlichkeit.«
    »Na, das ging doch glatt«, sagte Scott, als der Staatsanwalt wieder weg war.
    »Die letzten zwanzig Minuten haben wir nur über den

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