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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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Kost, wie man sie in einem Diner bekam, und schob sie seinem Sohn und seiner Schwiegertochter über den Tisch zu.
    »Guten Appetit«, sagte er trocken.
    »Vielen Dank«, entgegnete Maureen matt.
    Als sie fertig waren, ließ er den Abwasch für Maureen in der Spüle liegen, ging in den Garten, schnappte sich einen Football und rief Brandon zu: »Los, Touchdown!« Nach ein paar Würfen gesellte sich auch Keenan zu ihnen, und sie spielten eine halbe Stunde lang Fangen, bis Torres senior zu husten anfing und sich auf den Rasen fallen ließ. »Wollen wir uns mal hinsetzen und die hübsche Wüste angucken, die hier bei euch wächst.«
    Großvater und Enkel bewunderten die steifen Blütenblätter der borstigen Opuntie, die spitz auslaufenden Blätter der Yucca, und sie hielten ganz still, als sich eine Krähe ganz oben auf den Ocotillo setzte. Der Vogel drehte den Kopf hin und her, um die Menschen unten mit beiden Augen zu betrachten.
    »Verdammt, ist das schön«, sagte der alte Torres. »Ist lange her, dass ich so ein Stück Wüste gesehen habe. Bin in der Wüste aufgewachsen, Jungs, wisst ihr das?«
    Brandon spürte, dass sein Großvater sich auf irgendwie tief gehende und erwachsene Art zu den Kakteen hingezogen fühlte, und halb hörte, halb phantasierte er einen gedehnten Cowboyakzent in seine Worte. Vielleicht war Grandpa ein Cowboy aus dem Süden, so wie dieser käufliche Revolverheld in dem Spaghettiwestern, den Brandon mal mit seinem Vater hatte anschauen dürfen, bis die Cowboys anfingen zu fluchen und sein Vater ihn rausgeschickt hatte.
    »Sieht es in Mexiko so aus?«, fragte Brandon.
    »Keine Ahnung. Ich komme aus Yuma in Arizona.« Der alte Torres sah seine Enkel an, sah die unschuldige Verwirrung in ihren Zügen, und seine gewohnte Abwehrhaltung bröckelte. »Mein Vater war aus Chihuahua. Ich bin da auch geboren, aber das ist sehr lange her. Ich nehme an, da sieht es immer noch so aus.«
    »Sind wir Mexikaner?«
    »Nur ein Viertel. Und zwar von mir.«
    »Nur ein Viertel?«, fragte Keenan. Er dachte an die Rechenstunde am Ende der zweiten Klasse und verstand nicht, wie man einen Menschen in Brüche aufteilen konnte. Ein Viertel, zwei Drittel, drei Achtel. Bestanden seine Knochen und Muskeln aus mexikanischen und amerikanischen Teilen? Waren seine grünbraunen Pupillen in Kuchenstücke geschnitten, ein Viertel mexikanisch, zwei Viertel amerikanisch, ein Viertel irisch? Und wenn man mit einer Lupe in den Spiegel guckte, konnte man die Stücke dann sehen und auseinanderhalten?
    »Ja«, sagte ihr Großvater. »Bloß ein Viertel.«
    »Ist weniger mexikanisch besser als mehr?«
    »Keine Ahnung. Manche Leute glauben das. Heutzutage bin ich mir nicht mehr so sicher.«
    Um Viertel vor neun zog sich Torres senior ins Gästehaus zurück, und als Maureen eine halbe Stunde später in die Küche kam, um sich Tee zu kochen, konnte sie ihn schnarchen hören, das schwache, animalische Grollen sturer Hilflosigkeit, das durch die beiden Wände zwischen ihnen drang.
    Am nächsten Morgen erwachte er um sechs Uhr, ging in die Küche und machte seinem Sohn zum Frühstück ein Omelett mit Schinken, Tomaten und Käse. Als Scott mit Essen fertig war, sah ihm sein Vater in die Augen.
    »Tu mir den Gefallen, und putz ein paar Toiletten, bevor du aus dem Haus gehst.«
    »Was?«
    »Hör mal zu. Deine Frau ist allergisch gegen die Toilettenschüsseln, und ich habe heute noch eine ganze Menge anderer Sachen zu tun.«
    »Aber ich muss zur Arbeit. Ich werde zu spät kommen.«
    »Ich dachte, du wärst der Boss da.«
    Zwanzig Minuten später fand Torres senior seinen Sohn auf Händen und Knien in einem der vier Badezimmer des Hauses, wo er die Keramik mit einer Scheuerbürste attackierte.
    »Mann, ist das eklig«, sagte Scott.
    »Du hast zwei Jungs. Was hast du erwartet?«
    Scott stand auf, klappte den Klodeckel herunter und setzte sich kurz zum Ausruhen hin. Er betrachtete Wanne und Waschbecken, die auch darauf warteten, dass er sich ihnen widmete.
    »Hat Araceli das wirklich alles gemacht? Ganz allein?«, fragte Scott. Er schaute seine Hände an, die nach Putzmittel rochen. »Du hast Frühstück gemacht und gestern Abend gekocht. Maureen wäscht die Babysachen. Ich putze die Scheißtoiletten. Ich kann es nicht fassen, dass eine Frau allein das alles geschafft hat.«
    »Tja«, sagte der alte Torres. »Und sie hat es auch noch richtig gut gemacht.« Er untersuchte das Werk seines Sohnes und fügte hinzu: »Vergiss nicht, auch außen an den

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