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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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Hand, schrien Araceli an und schüttelten die Fäuste. Die Lautstärke nahm zu, weil Araceli es gewagt hatte, diese Leute anzuschauen. Auf anderen Schildern standen nur Worte: MEXIKO = KRANKHEIT + DROGEN + TOD . Sie schrien »Haut ab!« in Aracelis und Ruthys Richtung, aber auch in Richtung der Gegendemonstranten auf der anderen Seite, und Araceli sah sich auch zu diesen um. Ein paar von ihnen erkannte sie vom Treffen in der Kirche, wo sie es nicht geschafft hatte, eine Rede zu halten. Alle hielten Plakate in der Hand, die aus einem lächerlichen Foto von ihr erstellt waren, entstanden bei ihrer zweiten Festnahme. Sie überlegte kurz, ebenfalls den Finger zu heben und den Mund zu öffnen, ihre Pose auf dem Foto stumm nachzuahmen – das wäre ein guter Witz –, aber sie ließ es sein, als ihr einfiel, dass sie auf den Stufen eines Gerichtsgebäudes stand, dessen ernsten Zweck sie respektieren sollte, auch wenn die konkurrierenden Demonstranten es nicht taten. Ein Polizist ging mit ausgestreckten Armen quer über die breite Freitreppe auf die Flaggenleute zu und sagte: »Zurückbleiben!« Wie ungewöhnlich, dachte sie, dass sie von einem Polizisten beschützt wurde, und schaute nach links, wo erneut ihr Name gerufen wurde: Eine junge Frau schwang die mexikanische Flagge. Araceli sah den Adler im Wappen und dachte, dass ihre bandera doch neben dem amerikanischen Sternenbanner sehr altertümlich wirkte. Bei der US -Flagge allerdings verstand sie nicht, warum so viele Streifen und Sterne auf so kleinem Gebiet zusammengedrängt waren. Die Fahne ist auf Englisch geschrieben. Beide Seiten schienen von einer unsichtbaren Grenze zurückgehalten zu werden, sodass Araceli und ihre Anwältin den breiten Gang dazwischen nehmen konnten. Sie fragte sich, ob wohl eine Linie auf den Stufen sie in Schach hielt, so wie sie im Paseo Linda Bonita Kalklinien unter den Küchenschränken und in den Wandschränken gezogen hatte, um die Ameisen abzuhalten. In ihrer Unterstützergruppe waren weit mehr Studenten, Menschen Anfang bis Mitte zwanzig, geschmeidige Körper in leuchtenden, verführerischen Stoffen. Ihre Mienen drückten Schmerz und Verletzung aus, wie bei Kindern, die von ihren alkoholkranken Eltern enttäuscht werden. Araceli fand sie attraktiv und würdevoll im Vergleich zu den älteren und steiferen Rot-Weiß-Blau-Leuten; die trugen alle die Empörung und verbitterte Überlegenheit anständiger Menschen zur Schau, die sich von den Verbrechern aus den Slums drangsaliert fühlten.
    Plötzlich überschritt die Frau in der grünen Schwesterntracht die unsichtbare Linie und stürmte auf sie zu, weshalb Ruthy Bacalan laut »Hey!« schrie.
    »Sag die Wahrheit!«, kreischte Janet Bryson wenige Zentimeter vor Aracelis Gesicht, und dann sprach sie den ersten vollständigen spanischen Satz ihres Lebens, vier Worte, die sie sich selbst mithilfe eines Übersetzungsprogramms im Internet zurechtgelegt hatte: »¡Diga la verdad, usted! ¡Diga la verdad, usted!«
    Giovanni Lozano sah von der anderen Seite empört, wie die Frau in Grün seine Märtyrerheldin verbal attackierte, also übertrat auch er die Linie, eilte Araceli zu Hilfe und schubste Janet Bryson weg. Ein Mann um die vierzig in Busfahreruniform packte sich wiederum Giovanni, und innerhalb weniger Sekunden waren die beiden Gruppen zu einer einzigen Masse aus Stimmbändern und schwellenden Muskeln verschmolzen. Ruthy Bacalan griff nach Aracelis Ellbogen und sagte: »Wir sind fast da.« Am oberen Treppenabsatz schoben sie sich zwischen einem keuchenden Trupp Polizisten hindurch, der mit gezogenen Schlagstöcken auf die Menge zueilte, und einen Augenblick später traten sie in die Stille der neuen Gerichtsaußenstelle Laguna Niguel und seines gepflasterten Vorplatzes.
    Der imitierte Missionsstil mit dem Dach aus Terrakottakacheln, die den Platz umgebenden Palmen und die Männer und Frauen mit ihren Aktenkoffern ließen eher an ein Ferienhotel denken, wo Anwälte entspannen konnten. Araceli und Ruthy reihten sich in die Juristenschlange ein und traten durch den mittleren von drei großen Torbögen auf eine Glastür zu, vor der eine weitere Gruppe Menschen, diesmal mit Kameras, eine Phalanx bildete. Jetzt wollen sie mich schon wieder fotografieren , dachte Araceli, hob den Kopf und zeigte stolz ihr Mestizengesicht. Doch nur ein einziger Fotograf trat vor, um ein Bild zu machen, während alle anderen über sie hinwegblickten. Sie sah sich selbst um, konnte jedoch nur die leere Plaza

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