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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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Irre über meinen Garten? Sie hatte doch nicht eine Stunde lang an diesen Azaleen geschuftet, um sich jetzt von Sasha Avakian beleidigen zu lassen. Als sie den Garten allerdings umgeben vom Partygeplauder erneut unter die Lupe nahm, konnte sie selbst aus der Entfernung sehen, dass der betrunkene Fettsack recht hatte. »Ein wüster Garten!« Ihr petit Regenwald war trocken und ausgelaugt, ihm fehlten Wasser und Pestizid. Mitte der Woche hatte sie Scott gebeten, die kaputte Berieselung zu reparieren, aber er hatte es entweder vergessen oder einfach ignoriert. Der Big Man breitete die Arme aus, als wolle er den Verfall ihres Tropengartens umfassen, wandte sich den Partygästen zu und griff um der dramatischen Wirkung willen nach einem der schlappen Bananenblätter. Sein in Wiederholungen kreisender Monolog hatte die Aufmerksamkeit der Kinder erregt, die ihre Wassersprünge, ihre Schwertkämpfe und Hüpfspiele unterbrachen und Shahes Vater mit verblüfft gerunzelten Brauen anschauten: Sie versuchten einen Erwachsenen zu verstehen, der knapp jenseits ihres Begriffsvermögens agierte. Die Erwachsenen wollten seine trunkene Rede gerade lachend abtun, wurden dann aber auf Maureens Reaktion aufmerksam, die ein paar Schritte vom Pool weg- und auf ihn zugegangen war, mit wütend mahlenden Kiefern. Sie alle wandten sich nun dem Tropengarten zu und sahen, was der Big Man und Maureen gesehen hatten: etwas Lebendiges, das zu altern begonnen hatte, ein grüner Winkel dieses perfekten Zuhauses, das von tödlicher Krankheit befallen war.
    »Dazu musst es kommen! Zwei Mond’ erst tot!«, rief der Big Man. »Der wüste Garten schießt auf in Samen. Und verworfnes Unkraut erfüllt ihn. Gänzlich!«
    Maureen hörte ein wissendes Kichern von einem ihrer männlichen Gäste. Sie drehte sich um, hatte stattdessen aber Carla Wallace-Zuberi vor sich, die sie mit einer Mischung aus Verwunderung und Mitleid anschaute. Augenblicklich wich alle Wut aus Maureens Zügen, und ohne es zu merken, gab sie ein Bild kraftloser Kapitulation ab. Sie verschränkte die bloßen, von Sonnencreme geschützten Arme vor ihrem Trägerhemd und wandte sich erschüttert ab. All ihr Schneiden, Zeichnen, Kleben, Jäten und Vorbereiten war zwecklos gewesen. Was für eine Farce. Ihre Pappmascheebasteleien hatten sich aufgelöst, ihre Söhne prügelten sich in der dämlichen Hüpfburg, und sie hatte vergessen, den Pool zu reinigen, ihre Gäste badeten in verdrecktem Wasser. Alles um mich herum stürzt ein, aber schert es mich überhaupt?
    Später am Nachmittag, lange nachdem der Big Man wieder ausgenüchtert und mit seiner peinlich berührten Frau abgezogen war, verabschiedete Maureen sich von den letzten Gästen: Tyler Smith mit Frau und Söhnen. Die Frau blieb auf dem Weg zum Wagen stehen, ergriffen vom Spektakel der flammenden Sonnenkugel, die sich rasch zum Meereshorizont senkte – die dunkelroten Streifen in der Atmosphäre, das blutorange Pastell des glitzernden Wassers. »Was für eine unglaubliche Aussicht«, sagte die Gattin des früheren Forschungsleiters und versuchte offenbar, Mitgefühl und Solidarität auszudrücken. »Das ist wirklich ein unglaubliches Haus, Maureen. Ihr habt so ein Glück, dass ihr hier wohnt.« Maureen bedankte sich abwesend: Sie dachte immer noch an den Big Man und le petit Regenwald und wie das Unkraut und die welken Blumen alles ruiniert hatten. Nachdem sie sich zwei Wochen bis zur Erschöpfung verausgabt hatte, um das Zusammentreffen mit ihren Freunden zu organisieren, hatte Big Man Avakians dröhnende Stimme den Blick aller auf den verräterischen Makel ihres Heims gelenkt. Verfluchter Kerl. Verflucht sein sollte der fette Possenreißer, und verflucht sein sollte Scott, weil er Pepe den Gärtner entlassen hatte.

4 Die Nacht war gekommen, das Küchenfenster war wieder ein Spiegel geworden, in dem Araceli sich selbst beobachten konnte, während sie dem rhythmischen Sprühen und Wischen des Geschirrspülers lauschte, dem Klicken der startenden und endenden Waschgänge. Noch eine Ladung, dann würde sie für heute Abend Schluss machen und an den Mülltonnen vorbei und ins Gästehaus gehen. Die letzten drei Glasschüsseln, zwei Töpfe und verschiedene Servierlöffel und Pfannenwender weichten in der Spüle ein, dampfend heißes Wasser und Spülmittel lösten die letzten Spuren von Gemüse, Olivenöl und Fruchtfleisch, Erinnerungen an eine Party, die vor Stunden zu Ende gegangen war. Wäre dies ihr eigenes Haus und nicht das von la

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