In den Häusern der Barbaren
señora Maureen gewesen, hätte Araceli die Teile einfach mit Schwamm und Bürste in zehn Minuten abgewaschen, aber la señora bestand darauf, alles Geschirr und Besteck durch das brühheiß sterilisierende Wasser der Spülmaschine zu schicken. Wobei Araceli ihre jefa heute Abend wahrlich hätte ignorieren können, denn la señora stritt sich mit el señor Scott und war ohnehin zu beschäftigt, um noch die Küche zu kontrollieren. Der Streit hatte kurz nach Maureens letzter Verabschiedung begonnen und währte bereits seit drei Stunden, lediglich unterbrochen von langen Phasen vergifteten Schweigens, die wiederum von Vorwürfen und Ausrufen abgelöst wurden: von Beschreibungen der Mängel des Tropengartens. Auf unerklärlichen Wegen landete der Inhalt der Auseinandersetzung schließlich bei Ereignissen, die in der weit entfernten Vergangenheit des Ehepaares stattgefunden hatten, und Araceli fragte sich, wieso ihre jefa , die nach dem Weggang der Gäste vor Empörung geschäumt hatte, so rasch in die Defensive geriet. »Genau das Gleiche hast du auch in Barcelona gesagt!«, schrie Maureen aus dem Wohnzimmer. Araceli hatte nicht mitbekommen, was Scott gesagt hatte und was Maureen jetzt an Barcelona erinnerte, eine Stadt, die gelegentlich in ihren Gesprächen vorkam, meist in sinnlich-nostalgischem Ton, der Araceli an romantische Postkartenbilder von eng umschlungenen Paaren mittleren Alters erinnerte, wie man ihnen in gewissen Zeitschriften- und Fernsehwerbungen sowohl englischer als auch spanischer Sprache begegnete. Araceli hätte gern einmal Barcelona besucht und Gaudís Bauten gesehen, und hätte sie einen Reisepass mit den richtigen Stempeln und Aufklebern darin besessen, sie hätte die paar Tausend Dollar genommen, die sie gespart hatte, ein Iberia-Ticket gekauft und wäre innerhalb einer Woche abgereist.
»Herrgott, da war ich fünfundzwanzig!«, erklärte Scott. Der Streit hatte sich durch mehrere Zimmer bewegt, und seine Stimme klang nun gedämpft, weil er weiter weg im Haus war. Araceli hörte ihn nur gelegentlich, wenn der Geschirrspüler schwieg oder wenn er ins Wohnzimmer kam, um eine von Maureens Anschuldigungen mit weinerlicher, vorpubertärer Stimme oder im nächsten Augenblick auch wieder mit dem heiseren Fluchen eines alten Mannes abzuwehren. »Du bist so vollkommen lächerlich!«, sagte er und ließ einen einzigartig heftigen Kraftausdruck folgen, den Maureen sofort zurückgab und mit einem »… dich selbst!« unterstrich. Araceli nahm an, dass die beiden aufhören würden, sobald sie aus der Küche ins Wohnzimmer platzte und sich in die akustische Schusslinie stellte. So etwas hatte sie bereits getan: die Szene betreten, die Maureen mit geröteten Augen und Scott mit mahlenden Kiefern zum Besten gaben, und eine der beiden Parteien mitten im Satz durch den Anblick der unterbezahlten mexikanischen Angestellten zum Schweigen gebracht. Andere Bedienstete von jenseits der Grenze hätten sich vielleicht unwohl gefühlt, wenn sie die intimen und anscheinend unversöhnlichen Differenzen ihrer Arbeitgeber hätten anhören müssen, sie hätten vielleicht gar eine Träne vergossen im Gefühl, dass »ihre« Familie auseinanderbrach – nicht so Araceli. Sie blieb distanziert. Ihr ging das ganze Geschrei bloß auf die Nerven, und darum nahm sie rasch und ohne viel Hoffnung auf Erfolg ein paar Blätter Basilikum aus dem Kühlschrank und legte sie in einen Krug voller Wasser: ein altes mexikanisches Hausmittel gegen wütende Ehegatten, das ihre Mutter häufig angewandt hatte. Fünfzehn Minuten später war der Streit tatsächlich verstummt, der Geschirrspüler ebenfalls. Sie verstaute die letzten Schüsseln und Löffel, ganz die brave Haushälterin, und schlich sich durch die Seitentür der Küche über den Rasen, der leer und still im gelben Licht der Insektenlampe lag. Sie betrat ihr Zimmer, ihre Zuflucht.
Als der Streit schließlich verpufft war, zog sich Maureen in ihr Schlafzimmer zurück und wickelte sich allein in einen Kokon aus Wolle und Baumwolle, in ihre gesteppte Bettdecke. An jedem anderen Tag hätte sie nicht zu Bett gehen können, ehe sie in den Zimmern hinter der geschlossenen Kieferntür Ordnung gemacht und ihre Söhne instruiert hätte, das in Haus und Garten verstreute Spielzeug einzusammeln und in den dafür vorgesehenen Kisten und Regalen zu verstauen. Die Jungen waren jedoch schon vor Stunden ins Bett gegangen. Maureen tröstete sich mit der Stille und Ordnung in diesem Zimmer, wo eine
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