In den Häusern der Barbaren
für Samantha kaum ein Hindernis darstellte. Die Jungen hatten schon einen Ball hineingeworfen, und die drohenden Stacheln waren genügend Abschreckung gewesen, sodass sie sich nicht hineinwagten. Alles in allem war sie sehr zufrieden, dass sie die sterbende Tropenplage aus ihrem Reich verbannt und ihr Anwesen in Einklang mit der Wüste gebracht hatte.
»Araceli, wir haben einen neuen Garten«, sagte Maureen lächelnd zu ihrer Hausangestellten. »¿Te gusta?«
Araceli stellte einen großen Krug agua de limón auf das niedrige Klapptablett neben Maureen, rührte mit dem Glasstab die Wolke Zitronenfruchtfleisch auf und hob schließlich den Blick zum Garten.
Nun ja, das Stück Wüste, das ihre jefa da gekauft hatte, war sicherlich etwas sehr Exotisches. So dicht davor fühlte sich Araceli an einen zeitlosen, geheimnisvollen Ort versetzt, obwohl sie ganz in der Nähe die Jungen schreien hörte und obwohl Maureen in ihrem Liegestuhl saß, die Sonnencreme auf ihren nackten Beinen glitzerte und ein schlabbriger Leinenhut sie vor der Sonne schützte. Aber nein, Araceli konnte nicht sagen, dass ihr der neue Garten gefiel. Er strahlte einen gewissen Minimalismus aus, das rote Vulkangestein, die rötlichen und senfgelben Sandflächen zwischen den Pflanzen – doch Aracelis ästhetische Vorlieben neigten eher zum Komplexen und Ornamentalen. Sie erinnerte sich an ihren ersten Eindruck vom Tropengarten, an die Verblüffung, als sie zum Bewerbungsgespräch ins Haus der Torres-Thompson gekommen war: An einem heißen Tag wie diesem war sie durch die Terrassentür getreten und einem Dschungel von trotziger Feuchte begegnet, der gegen das helle Tageslicht ankämpfte. Später hatte sie die Pflanzung Hunderte Male betrachtet, während sie in der Küche, der Waschküche, dem Elternschlafzimmer arbeitete oder an den Abenden, wenn sie hinten aus dem Fenster ihrer kleinen casita sah. Es gefiel ihr, wie die Blätter der Taropflanze sich von der leichtesten Brise schaukeln ließen, wie die Calla von frühmorgens bis mittags ihre Gestalt änderten, wie der angelegte Bach für Bewegung sorgte. Dieser neue Wüstengarten war statisch, während der Tropengarten Performancekunst und Pepe der Künstler gewesen war, der auf die grüne Bühne trat und Wasserströme über die Pflanzen rauschen ließ, die dann im Sonnenlicht ihre Regenbögen spannten.
»Nun, was denken Sie?«, fragte Maureen nach. »Er gefällt Ihnen nicht! Ich spüre, dass er Ihnen nicht gefällt.«
Was konnte Araceli sagen? Ihr fehlten die englischen Worte, um ihre Gefühle für den Tropengarten und zum neuen Wüstengarten auszudrücken. Wie sagte man auf Englisch, dass etwas zu still war, dass man Pflanzen bevorzugte, deren Atem man um sich herum fühlen konnte?
»Me gustaba más como era antes« , sagte sie, und dann auf Englisch: »Ich mag es vorher … Aber dies ist auch sehr hübsch, señora . Sehr hübsch, muy bonito. Sehr anders.« Leere Worte, fand Araceli, aber sie schienen genau das zu sein, was Maureen hören wollte.
»Ja, er ist sehr bonito , nicht wahr?«, sagte Maureen befriedigt. »Und auch muy diferente .«
Am selben Vormittag lud Scott im Hauptquartier von Elysian Systems seine Angestellten zum Mittagessen ein, um die finale Version der »Prüfsoftware« des Bürgerwachsystems zu feiern, die sie vor wenigen Stunden an die Regierung geliefert hatten. Den Ausflug hatten ihm die Management-Typen aus dem vierten Stock vorgeschlagen, weil sogar ein Haufen einsamer Programmierer gelegentlich einen Bonus zur Aufheiterung vertragen konnte. »Sie gehen mit Ihren Leuten in ein nettes Restaurant, machen einen halben Tag frei, und Sie zahlen die Rechnung«, sagte der Mann aus der Geschäftsleitung, während Scott versuchte, nicht über den Briefbeschwerer die Stirn zu runzeln, der auf dem Schreibtisch vor ihm stand: eine Trophäe für »herausragende Führungsleistungen« von einem Unternehmen der Holzindustrie an der nördlichen Pazifikküste. »Später rechnen Sie das Essen als Spesen ab. Sie gehen zurück ins Büro, und am nächsten Tag arbeiten alle mit ein bisschen mehr Schwung.«
Sie trafen sich in der nächstgelegenen Niederlassung einer Restaurantkette, in der anständige Mojitos und Margaritas ausgeschenkt wurden, und sie quälten sich durch zwei Stunden Konversation über Sport, Videospiele, Prominente und andere Banalitäten. Sein Programmiererteam bestand aus fünf Männern und zwei Frauen; die älteste Mitarbeiterin war ungefähr fünf Jahre jünger als er.
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