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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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leisten.
    »Warum gehen sie nicht endlich weg«, sagte Michael mit einem Blick über die Schulter. »Sie können ja doch nichts tun.«
    »Ich weiß«, sagte Kelly. »Aber so sind die Leute nun mal nach Beerdigungen.« Sie sah ihn nicht an, als sie fragte: »Hältst du Jenny denn wirklich für tot?«
    Michael wusste sofort, was sie meinte. »Nein. Ich habe Judd Duval nicht geglaubt, als er mir erzählte, er hätte Jenny gefunden.« Michael rutschte nachdenklich auf der Bank hin und her. »Irgendein Instinkt sagt mir: Sie ist nicht tot. Es ist ganz komisch - ich habe das Gefühl, dass sie mich braucht.«
    Da schaute Kelly ihn an. »Mir geht es genauso. In der vergangenen Nacht habe ich von Jenny geträumt. In dem Traum habe ich auch diesen alten Mann wieder gesehen. Nur war er diesmal hinter Jenny her, und nicht hinter mir.«
    »Aber...«
    »Wir müssen es herausfinden, Michael. Es geht nicht nur um Jenny. Denk an Amelie Coultons Worte.«
    Michaels Gesicht verdüsterte sich. »Sie hat gesagt, wir müssten Clarey fragen. Clarey wüsste alles.«
    Sie versanken in tiefes Schweigen, bis Kelly meinte: »Ich wüsste, auf welche Weise wir es herauskriegen könnten.«
    Ihre Blicke begegneten sich. »Ich habe an das gleiche gedacht.« Er zögerte. »Heute nacht?« Kelly nickte.

22
     
    Fred Childress nahm den großen Schlüsselbund, den er am Nachmittag von der Leichenhalle mit nach Hause gebracht hatte, in die Hand und sah auf die Uhr. Noch zehn Minuten.
    Um Mitternacht, hatte Warren Phillips gesagt.
    Mit Phillips zu streiten war zwecklos, wie Childress nur zu gut wusste. Er hatte es, vor Jahren, einmal versucht, ohne sich etwas dabei zu denken; als er ihn in der folgenden Woche wegen seiner Spritze aufsuchte, hatte Phillips sie ihm verweigert, und die Angst, die ihm der eigene Anblick im Spiegel am Morgen zwei Tage danach eingejagt hatte, wollte Childress nicht noch einmal erleben. Über Nacht war er um drei Jahrzehnte gealtert, und als er Phillips angerufen und um die Spritze gebettelt hatte, war ihm beschieden worden, er habe wohl die Regeln vergessen. »Ich werde Ihnen die Spritze geben«, hatte Phillips gesagt, »aber unter einer Voraussetzung: Sie werden mir nie mehr widersprechen. Ist das klar?« Und beim Gedanken an den eigenen Tod, der ihn im Spiegel verspottet hatte, hatte Fred Childress sich sofort einverstanden erklärt.
    Jetzt stieg er wenige Minuten vor Mitternacht in seinen Cadillac und fuhr zu Judd Duvals Hütte am Rand des Moores.
    Judd saß mit einem Bier in der Hand vor dem Fernseher. Auf dem Tisch neben ihm standen zwei leere Bierdosen.
    »Sind Sie betrunken?« wollte der Bestatter wissen.
    Duval sah ihn mit blutunterlaufenen Augen an. »Sie müssen ja auch nich’ jede Nacht nach Kindern such’n«, brummte er, leerte das Bier in einem Zug, stand auf, ließ den Fernseher weiterlaufen und folgte Childress zum Wagen.
    Während der Fahrt zum Friedhof sprach Childress kaum. Er blickte alle paar Sekunden nervös in den Rückspiegel, als ob er sich verfolgt fühlte.
    Der Deputy lachte düster. »Gibt’s ‘n Problem, Fred? Man müsst’ meinen, Sie wär’n im Leb’n noch nie auf’m Friedhof gewes’n.« Das Lachen wurde geradezu hässlich, als Childress ihn anstarrte, doch er schwieg, bis der Bestatter seinen dunkelblauen Cadillac im tiefen Schatten des Feldwegs geparkt hatte, der zum Hintereingang des Friedhofs führte. »Scheiße, Fred, nun beruhig’n Sie sich doch. Es hat überhaupt kein’ Verkehr gegeb’n. Jetzt woll’n wi’s mal hinter uns bringen, damit Sie wieder zu Hause sein können, wenn ich den miesen Teil des Jobs erledigen muss. Ich kapier’ manchmal wirklich nich’, warum Phillips sich mit’m Angsthasen wie Ihnen einläßt.«
    Fred Childress platzte der Kragen. »Aus dem gleichen Grund, warum er sich mit einer dummen Sumpfratte wie Ihnen abgibt«, gab er zurück. »Er braucht uns.«
    Duval kräuselte verächtlich die Lippen. »Ach ja?« fragte er gedehnt. »Also, ich weiß ja nich’, was mit Ihnen is’, aber mir scheint, verdammt, wir brauch’n ihn viel mehr als er uns. Oder freu’n Sie sich etwa aufs Altwerden?«
    Auf Childress’ Stirn schwoll vor Zorn eine Ader. »Hören Sie auf, Duval«, sagte er, stieg aus, schritt zum Tor an der rückwärtigen Friedhofsmauer und schloss es auf.
    Er zögerte kurz, bevor er eintrat. Er ließ einen Blick über die Steinmausoleen gleiten, die im bleichen Mondlicht schimmerten. In ihnen ruhten die Toten von Villejeune.
    »Mir gefällt das nicht,

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