In den Klauen des Bösen
Judd«, sagte Fred Childress. »Ganz und gar nicht.« Er reckte den Kopf ins Dunkel. »Wenn uns jemand sieht...«
»Uns wird aber keiner seh’n«, brummte Duval. »Wenn Sie bloß Ihr Maul hielt’n und voranmachten, könnt’n Sie in ‘ner Viertelstund’ wieder daheim sein.«
Childress straffte sich und betrat den Friedhof, wo er sich rasch zum Mausoleum begab, in das Jenny Sheffield erst am Nachmittag zur letzten Ruhe gebettet worden war. Er hantierte mit dem Bund, bis endlich ein Schlüssel in das Loch paßte. Dann öffnete er die Tür und zog den Sarg zur Hälfte heraus. »Würden Sie mir bitte helfen!« sagte er.
Die beiden Männer zerrten den Sarg aus der Gruft und setzten ihn auf dem Boden ab. Fred Childress öffnete den Deckel. Beide schauten einen Moment lang wie gebannt auf Jennys lebloses Gesicht. Duval hob sie aus dem Sarg und machte sich auf den Weg zum Tor.
Fred Childress verschloss den Sarg, hob ihn wieder in die Gruft und schob ihn hinein.
Er hatte sie eben verschlossen, als er ein Geräusch vernahm.
Ein Knacken, als ob da jemand auf einen Ast getreten wäre.
Childress blieb stehen. Er brach in Schweiß aus.
Er horchte, doch das Geräusch wiederholte sich nicht, so dass er schließlich den Schlüssel in der Grabtür drehte und zu Duval eilte, der im Auto schon auf ihn wartete.
»Warum hab’n Sie denn solang gebraucht?« wollte der Deputy wissen.
Fred Childress drehte sich zum Friedhof um. »Ich habe etwas gehört.«
Duval kniff die Augen zusammen. »Ehrlich?«
Childress nickte. Daraufhin spähte Duval zum Friedhof hinüber. »Ich weiß nicht...«
Er brach mitten im Satz ab.
Fast hätte er es nicht gemerkt; er war sich auch nicht völlig sicher, ob er wirklich etwas gesehen hatte. Es war nur der Schatten einer Bewegung im Dunkel gewesen. »Wart’n Sie hier«, flüsterte er. »Ich seh’ mich mal um.«
»Er hat mich gehört«, flüsterte Kelly. Michael legte den Finger an die Lippen, winkte ihr zu folgen, lief zum Haupteingang des Friedhofs und bewegte sich lautlos wie eine Katze durch die tiefen Schatten der Grabkapellen. Die beiden lugten um die Ecke eines Grabsteins, der ihnen Deckung bot, und sahen zunächst gar nichts - dann trat etwa fünfzig Meter weiter eine dunkle Gestalt auf den Gang, lief darüber weg und verschwand. Michael richtete sich auf, blickte sich erneut um und ging neben Kelly in die Hocke.
»Wir befinden uns nur zwanzig Schritte vom Tor entfernt. Er sucht in der falschen Richtung. Wir können fort. Folge mir!«
Er lugte noch einmal um die Ecke - nichts! - und rannte geduckt zum Tor, um sich dort hinter die Mauer zu kauern.
»Wir sollten heim«, flüsterte Kelly, als sie sich neben ihm duckte, doch Michael schüttelte den Kopf.
»Ich will wissen, wer das ist. Komm schon.«
Er hielt sich im Schutz der Friedhofsmauer, bis er den ungepflasterten Weg auf der hinteren Seite erreichte, den dichtstehende Fichten säumten. In deren Schatten tauchte er unter.
»Was wollen wir machen?« fragte Kelly.
»Warten!« antwortete Michael.
Judd Duval lief stumm durch die Friedhofsgänge. Er suchte in den Schatten nach irgendeinem Zeichen von Leben. Plötzlich sah er eine Bewegung, doch bevor er einen Schritt tun konnte, war die geschmeidige Form einer Katze schon vom Dach eines Steinmausoleums gesprungen und im Dunkel untergetaucht. Judd lachte über seine Nervosität und lief zurück zum Auto, in dem Fred Childress wartete.
»Nix«, sagte er, als er neben dem Bestattungsunternehmer Platz nahm.
»Doch, da war etwas«, widersprach Childress, als er den Wagen startete. »Es war nicht nur das Geräusch. Ich habe gespürt, wie ich beobachtet wurde.«
Duval verzog spöttisch die Lippen. »Ihr Grabschaufler habt wohl Angst vor Gespenstern, was?«
Childress wurde böse. Er legte den Gang ein, fuhr bis zur Hauptstraße, doch ohne Licht. Vor dem Einbiegen vergewisserte er sich nochmals nach beiden Richtungen.
Nichts.
Er schaltete die Scheinwerfer ein und gab Gas. Der starke Motor des Cadillac zog an. Der Wagen jagte ins Dunkel.
Mit jedem Meter, den sie sich vom Friedhof entfernten, war Childress wohler.
Vielleicht hatte er am Ende doch nichts gehört.
»Hast du ihn erkannt?« fragte Kelly, als der Wagen am anderen Ende der Straße verschwand und sie aus dem Schutz der Fichten heraustraten.
Michael nickte. Seine Gedanken rasten. »Mr. Childress«, sagte er. »Der Leichenbestatter. Er war aber nicht allein. Den andern Mann habe ich nicht identifizieren
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