In den Klauen des Bösen
Backe.
»Ist doch gar nicht so schlecht, Martha, nicht wahr?« flüsterte er. »Es gibt viel zu fressen, du hast reichlich Wasser, niemand tut dir weh. Ist doch besser, als zu einem Mantel verarbeitet zu werden, meinst du nicht auch?«
Er drückte das kleine Nagetier an sich, als das Gesumm der Insekten von einer fernen Sirene übertönt wurde.
Michael blieb regungslos stehen.
Die Sirene kreischte auf, verhallte, wurde wieder laut. Michael schlug das Herz schneller. Er näherte sich vorsichtig der Straße.
Er sah das Polizei-Auto direkt auf sich zukommen.
Er erschrak.
Ihm stockte der Atem. Sein Körper verkrampfte sich.
Die Sirenenlaute verklangen in der Ferne.
Als Michaels Anspannung sich allmählich löste, merkte er, dass sein Herz wie wild klopfte.
Das Nahen des Streifenwagens hatte ihm Angst eingejagt.
Warum? Er hatte doch nichts Böses getan - er hatte noch nie mit der Polizei zu tun gehabt.
Aber soeben war bei ihm der Eindruck entstanden, sie habe es auf ihn abgesehen.
Er schloss die Augen, um die Angst zu vertreiben. Sein Puls normalisierte sich. Die eiskalten Finger, die er an die Brust gedrückt hatte, wurden wieder warm.
»Wie dumm!« murmelte er wie im Selbstgespräch, aber auch für das kleine Tier, das er in der Hand hielt. »Wer sollte sich wegen ein paar toter Frösche schon aufregen? Für Frösche braucht man doch keinen Jagdschein.«
Er senkte den Blick, weil Martha nicht auf den Klang seiner Stimme reagierte.
Seine Hände hatten sich um ihre Kehle verkrampft. Ihr Körper war steif und still.
Er erkannte - das Tier war tot. Ihm saß plötzlich ein Kloß im Hals. Die Angst, die er eben erst unterdrückt hatte, packte ihn von neuem, und er rannte zum Käfig, legte die Biberratte hinein und schloss ab.
Eine Minute später jagte er auf seinem Motorrad heimwärts durch die Nacht.
Vor der winzigen Hütte, die Judd Duval am Rande des Moors bewohnte, brachte Marty Templar das Polizeiauto zum Stehen. Sie lag ein paar Meilen außerhalb von Villejeune, abseits der Straße; von der Landseite war sie nur über einen faulenden hölzernen Damm erreichbar, dessen Planken unter Templars schwerem Gewicht zusammenzubrechen drohten. Templar konnte Duvals Haus nicht ausstehen; er hasste es fast so sehr wie die Sümpfe und kam deshalb so selten wie möglich; und jedesmal war ihm, als ob die Bäume und Büsche nach ihm griffen und ihn ersticken wollten. An diesem Abend blieb ihm jedoch keine Wahl.
»Weiß nich’, was los is’« hatte Duval ihm über Funk mitgeteilt. »Aber vor mir steht Amelie Coulton und behauptet, da liegt wer im Moor.«
»Und wie zum Teufel sollen wir den heute abend noch finden?« hatte Marty protestiert. Er hatte an der Bar in Arlettes Cafe beim Essen gesessen, als das Funkgerät an seiner Hüfte gepiepst hatte. »Jessas, Judd - da kann man ja nichtmal bei Tageslicht etwas finden. Und bei Nacht...« Es war zwecklos, mit Judd Duval zu argumentieren. Der würde, wie alle Sumpfratten, zu jeder Tages-und Nachtzeit ins Moor hinausfahren. Als Judd also gemeint hatte, er solle das Maul halten und seinen fetten Arsch in Bewegung setzen, hatte Marty Templar den letzten Bissen hinuntergeschluckt, gezahlt und sich zu seinem Wagen begeben. Es wäre eigentlich nicht nötig gewesen, die Polizeisirene einzuschalten - aber, verdammt, da hatte er wenigstens fahren können so schnell er wollte.
Er stakste durch den schimmernden Schlamm zum hinteren Eingang von Judds Hütte. Klopfte. Trat ein. Die Hütte besaß nur zwei Zimmer; er stand im größeren Raum, in Judds Wohnküche. In einer Ecke flimmerte der Fernseher; er war leise gestellt. Judd saß in seinem großen Lehnstuhl, Amelie Coulton auf dem durchhängenden Sofa. Sie war blaß; ihr schmales Gesicht war durch die Schwangerschaft nur ein klein wenig voller. Judd erhob sich und musterte den Kollegen mürrisch.
»Hast aber lang gebraucht«, knurrte er. »Höchste Zeit, dass wir rausfahr’n. Wird nicht mehr viel übriggeblieben sein zum Identifizieren.«
Templars Blick wanderte zu Amelie. »Sie haben ihn nicht erkannt?«
»Hab’ nich’ lang g’nug hingeseh’n«, sagte sie nervös. Sie wich seinem Blick nicht aus, aber ein komischer Ausdruck in ihren Augen ließ Templar an der Wahrheit ihrer Antwort zweifeln. »Ich weiß man bloß, dass er tot is’. Aus’m Wasser hat er mich angeseh’n. So, dass’s mir den Mag’n umdrehte, kann ich nur sag’n.«
»Wir sollten hier nich’ rumsitzen und quatschen«, meinte Judd. »Je länger
Weitere Kostenlose Bücher