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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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versprochen. Doch seit diesem Versprechen - er hatte es in Anwesenheit von Tammy-Jo geben müssen, deren Gesicht so bleich geworden war, dass Amelie nun mit Sicherheit wusste: Sie hatte wirklich nichts erträumt - verhielt er sich ängstlich. So ängstlich, dass sie schon befürchtete, er würde verschwinden und sie sitzenlassen.
    Und als sie an diesem Abend auf einer Erneuerung seines Versprechens bestanden hatte, dachte sie schon, er würde sie schlagen, so wie ihr Vater sie als aufmüpfiges Kind geschlagen hatte. Aber George hatte es dann doch nicht getan. Er hatte bloß genickt, als traue er sich nicht die Worte auszusprechen. Und nun stand er neben ihr auf der Veranda, und sie merkte, wie sein Zorn in Furcht umschlug.
    »Da kommt er«, murmelte George.
    Sie strengte Augen und Ohren an, und ihr kroch ein Schreck über die Haut, obwohl sie nichts sah und nichts hörte. Aus den Tiefen der Finsternis tauchte schließlich ein abgrundschwarzer Schatten auf. Der Schatten erwies sich als Boot, das von Jonas Cox gerudert wurde, einem Jungen, den Amelie von Kindesbeinen kannte. Im Bug aber stand aufrecht die Gestalt des Schwarzen Mannes, dessen Gesicht ein schwarzes Tuch mit zwei Augenlöchern verdeckte. Amelie stockte der Atem. Sie dachte, das Herz stünde ihr still.
    Das Boot hielt vor der Baracke an. Die Zeit schien stillzustehen, als der Schwarze Mann George Coulton fixierte. Schließlich richtete er einen Finger auf ihn.
    Wortlos, wie ein Automat, kletterte George Coulton hinunter zum Boot, das gleich darauf im Dunkel entschwand, und bis auf die Tatsache, dass George nicht mehr bei ihr war, hätte Amelie nicht einmal mit Sicherheit sagen können, dass etwas vorgefallen war.
    Ihr pochte das Herz bis zum Hals. Sie weigerte sich nachzudenken. Sie zwang sich, die Näharbeit wieder aufzunehmen. Doch in ihr wuchs die Gewissheit, dass ihr Baby das Kleid niemals tragen würde...
    Es sei denn...
    Ihr schoß ein Gedanke durch den Sinn. Sie verdrängte ihn rasch. Egal, was sie George an den Kopf geworfen hatte: Sie wollte nicht, dass er stürbe.
     
    Das Boot stand im Wasser still. Jonas Cox hängte die Ruder ein. Er schaute zu George Coulton empor, der achtern saß; im blassen Schein des aufgehenden Monds sah George wie ein Gespenst aus. Jonas konnte die Angst spüren, die George packte. Da wusste er, dass dieser Junge, den er sein Leben lang gekannt hatte, vom Schwarzen Mann fixiert wurde.
    »Du hast mir nicht gehorcht«, sagte der Schwarze Mann. Er sprach leise, doch Jonas fröstelte es.
    »Ich hab’ nicht...« begann George, aber der Schwarze Mann ließ ihn nicht aussprechen.
    »Du gehörst mir. Du hast zu tun, was ich dir sage. Und ich habe dir nicht befohlen, Amelie Parish zu heiraten.«
    »Sie kriegt mein Kind«, wimmerte George.
    »Mein Kind«, verbesserte in der Schwarze Mann. »Eure Kinder gehören mir, so wie ihr mir gehört.«
    »Un’ ich werd’s Euch geben«, winselte George verzweifelt.
    »Du hast deiner Frau versprochen, das nicht zu tun«, stellte der Schwarze Mann fest. »Du gehörst mir, und deine Kinder gehören mir. Aus dem Grunde lebst du.«
    George schwieg. Seine Augen weiteten sich. Er ahnte, was kommen würde.
    »Ich dulde keinen Ungehorsam. Meine Kinder werden nichts weggeben, was ihnen nicht gehört.« Der Schwarze Mann öffnete sein Gewand und zog ein langes Messer aus der Scheide an seinem Gürtel. Er beugte sich vor. Er legte es Jonas Cox in die Hand. »Entlasse George Coulton aus dem Zirkel!« befahl er.
    George erschrak, aber bevor er ein einziges Wort ausstoßen konnte, blitzte im Mondlicht das Messer in Jonas’ Hand, und die scharfe Klinge drang ihm tief in die Brust.
    George entrang sich ein Schrei. Der Schrei schnitt durch die Stille der Nacht, schwoll an, als der Schmerz durch den Körper raste, und verebbte in einem leisen, gräßlichen Gurgeln, als Blut aus dem Mund floß.
    Seine Augen versanken in ihren Höhlen. Seine Haut verwitterte zu lederigen Falten. Die Muskeln, die eben noch fest und geschmeidig gewesen waren, erschlafften, und seine starken jungen Knochen waren auf einmal brüchig. Die Hüfte brach unter dem Gewicht des Körpers.
    Auf einen wortlosen Befehl des Schwarzen Mannes drehte Jonas Cox die Klinge, drückte sie tiefer und riß sie George Coulton mitten durchs Herz.
    Der Körper fiel über das Heck des Bootes ins seichte Wasser.
    Jonas schaute nicht hin. Er wusch das Blut von der Klinge und reichte dem Schwarzen Mann das Messer zurück. Er tauchte die Ruder ins Wasser.

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